In Deutschland werden laut einer OECD- Studie von 2013 rund 15 Millionen Wirbelsäulen-Operationen pro Jahr durchgeführt. Somit sei Deutschland neben den USA weltweit Spitzenreiter bei Wirbelsäulen-Operationen, berichten die Kölner Orthopäden und Unfallchirurgen Jan Bredow , Peer Eysel und Stavros Oikonomidis.
Schlechtere Ergebnisse als bei endoprothetischen Operationen
Zu den häufigsten Eingriffen an der Wirbelsäule zählen lumbale Bandscheiben-und Dekompressions-Operationen. Die Vorgehensweisen bei diesen Eingriffen seien zwar standardisiert, auch gebe es einige Fortschritte im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie; aber dennoch seien bei einem relativ großen Anteil von Patienten die postoperativen funktionellen und klinischen Ergebnisse unbefriedigend. Auch im Vergleich zu endoprothetischen Operationen von Hüfte und Knie „zeigen lumbale Wirbelsäuleneingriffe schlechtere funktionelle und klinische Ergebnisse“, schreiben Jan Bredow und seine Kollegen. So variiere die Erfolgsquote 1 bis 2 Jahre nach einer lumbalen Bandscheiben-Operation zwischen 78 und 95 Prozent und zwischen 46 und 75 Prozent 6–8 Wochen postoperativ. Die relative hohe Rate unzufriedener Patienten könne mit der Indikation zur Operation, der Operationstechnik, aber auch der Heterogenität der postoperativen Behandlung zusammenhängen.
Ähnlich sei es bei lumbalen Dekompressions-Operationen wegen einer Spinalkanalstenose. Bei diesen, insbesondere bei älteren Patienten recht häufigen Eingriffen liegen nach Angaben der Kölner Autoren die funktionelle Besserung zwischen 58 und 69 und die Patienten-Zufriedenheit zwischen 15 und 81 Prozent. Wie bei den lumbalen Bandscheiben-Operationen könne auch diese relativ hohe Rate unzufriedener Patienten mit der postoperativen Behandlung zusammenhängen. Dies gelte auch für lumbale Fusions-Operationen bei degenerativen Erkrankungen. Studien zufolge wiesen 15–40 Prozent der Patienten nach einer lumbalen Fusion keine signifikante Verbesserung ihrer Beschwerden auf.
Gestiegene Erwartungen, keine einheitlichen Empfehlungen
Beim klinischen Verlauf nach einer Wirbelsäulen-Operation spielen bekanntlich mehrere Faktoren eine Rolle. Gründe für ein „failed back syndrom“ gibt es viele. Mal liegt es daran, dass ein Patient sich an keine medizinischen Ratschläge hält, so dass der Heilungsprozess beeinträchtigt wird. Bei manchen Patienten, etwa Selbstständigen, kann die berufliche Situation die Genesung stören. Zudem wachsen die Ansprüche der Patienten auf schnelle Therapieerfolge und Erhalt der Lebensqualität.
Zu den möglichen Gründen zählt den Kölner Autoren zufolge allerdings auch eine unzureichende Standardisierung der Nachbehandlung. Es gebe bisher keine klaren und einheitlichen Empfehlungen bezüglich der postoperativen Behandlung nach Wirbelsäuleneingriffen. Unklar sei auch, ob die Art und Dauer der postoperativen Behandlung einen Einfluss auf das klinische und funktionelle Outcome nach Wirbelsäulen-Operationen hätten. Zusätzlich sei der Zeitpunkt für den Beginn der Physiotherapie nach Wirbelsäulen-Operationen umstritten.
Auch scheint es zu dauern, bis sich wissenschaftliche Erkenntnisse im Versorgungsalltag durchsetzen und zum „Standard“ werden, wie zum Beispiel eine Umfrage unter 105 Wirbelsäulen-Chirurgen zeigt, deren Ergebnisse gerade publiziert worden sind. So gaben diese Spezialisten an, dass nach mehr als einem Drittel der Eingriffe an der lumbalen Wirbelsäule eine Rumpforthese verordnet werde, und zwar in der Annahme, dies lindere Schmerzen und fördere die Fusion. Die wissenschaftlichen Daten zeigten jedoch, dass dies nicht zutreffe.
Werden zu oft MRT-Bilder operiert?
Nun ist eine gute Nachbehandlung für eine dauerhafte Genesung unstrittig wichtig. Dennoch sei hier daran erinnert, dass es für den langfristigen Erfolg eines operativen Eingriffes an der Wirbelsäule auch und vielleicht vor allem auf die Indikationsstellung ankommt. Denn ist das „Kind schon in den Brunnen gefallen“, hilft oft selbst eine optimale postoperative Behandlung. Nur ein bekanntes Grundproblem ist in diesem Zusammenhang die mangelnde Korrelation zwischen radiologischem und klinischem Befund. So hätten etwa 90 Prozent der über 50-Jährigen im MRT Zeichen von Degeneration an der Bandscheibe, was nicht immer zu einer Symptomatik führen müsse. Von über 60-jährigen Patienten hätten radiologisch etwa jeder fünfte Patient eine lumbale Spinalkanalstenose, so Privatdozent Achim Benditz und Professor Joachim Grifka (Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach).
Üben, üben, üben
Nicht unberücksichtigt bleiben sollte zudem die bekannte Weisheit, dass Übung den Meister macht. Und wer Meister der Violine werden will, muss bekanntlich noch mehr üben als ein Freund der Tonerzeugung mittels Maultrommel. Besonders eifrig üben müssen in der Wirbelsäulenchirurgie etwa jene, die endoskopisch operieren wollen. Vollendoskopische Eingriffe zur Dekompression bei Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen haben sich in den vergangenen Jahren als Alternative zum mikrochirurgischen Eingriffen entwickelt. Sie erreichten gute klinische Ergebnisse, könnten Vorteile bieten und als Alternative zu Standardverfahren eingesetzt werden, erläutern die beiden Wirbelsäulenchirurgen Privatdozent Dr. Sebastian Rütten und Dr. Martin Komp (St. Anna Hospital Herne). Aber: Die Methode sei anspruchsvoll und könne „ein erhöhtes Potenzial operativer Probleme beinhalten“. Außerdem: Nicht anders als bei mikrochirurgischen Eingriffen zur Dekompression lautet auch bei endoskopischen Eingriffen die erste Frage, ob ein invasiver Eingriff überhaupt notwendig ist. Die grundsätzlichen Fragen der Differenzialindikation für ein konservatives oder operatives Vorgehen blieben die gleichen, so Rütten und Komp.
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