Weniger Körper-Unzufriedenheit bei Anorexia nervosa nach Isolation im Schwebetank
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
In einer unizentrischen Studie mit 68 Teilnehmerinnen, die an Anorexia nervosa litten, wurden zusätzlich zu einer umfangreichen, individualisierten stationären Therapie 8 Sitzungen in einem sogenannten Flotationstank absolviert, in dem die Teilnehmerinnen jeweils 1 Stunde von Außenreizen weitgehend abgeschottet wurden. Diese Teilnehmerinnen zeigten jeweils nach den Sitzungen weniger ausgeprägte Ängste und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, wobei letztere Verbesserung 6 Monate lang Bestand hatte.
Hintergrund
Angst und eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers sind zwei charakteristische Beschwerden, unter denen Patientinnen mit Anorexia nervosa (AN) leiden. Ein neuer therapeutischer Ansatz beruht auf der Isolation der Patientinnen in einem Flotationstank. Er ähnelt äußerlich einer Ski-Box, ist aber mit einer hochkonzentrierten, auf die Körpertemperatur eingestellten, Salzlösung gefüllt, und kann lichtdicht verschlossen werden. Dies ermöglicht es, abgeschottet von Außenreizen quasi zu schweben. Die ursprünglich vom US-amerikanischen Neurophysiologen John C. Lilly Mitte der 1950er Jahre für wissenschaftliche Zwecke entworfenen Schwebetanks wurden in den 1970er Jahren von Anhängern der New Age-Bewegung entdeckt und finden sich mittlerweile auch in einigen Wellness-Studios. Die Autoren hatten mit dem Verfahren, das sie „Reduced Environmental Stimulation Therapy via floatation“ (floatation-REST) nennen, bereits eine erste offene Sicherheitsstudie mit AN-Patienten durchgeführt und dabei Hinweise auf moderate Verbesserungen bei der Körperwahrnehmung gefunden, denen sie nun in einer randomisierten Studie nachgegangen sind.
Design
Randomisierte, kontrollierte Studie im Parallelgruppen-Design zur Wirksamkeit einer Flotationstherapie (floatation-REST) bei Anorexia nervosa mit 68 Teilnehmerinnen (Durchschnittsalter 19,5 Jahre, BMI ca. 17) am Laureate Institute for Brain Research in Tulsa (Oklahoma, USA). Sie alle erhielten eine stationäre Versorgung gegen Essstörungen mit einer individualisierten, multidisziplinären Therapie einschließlich Verhaltenstherapie, Yoga, Diätberatung und – wo indiziert – Psychopharmaka, oder zusätzlich über 4 Wochen hinweg jeweils 2-mal wöchentlich 60 Minuten floatation-REST. Primäres Studienziel war die durchschnittliche Veränderung bei der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, gemessen mit der „Photographic Figure Rating“-Skala. Sekundäres Studienziel war die Veränderung der Ängstlichkeit, gemessen mit dem „State Trait Anxiety Inventory“. Beides wurde jeweils vor und nach der Sitzung im Schwebetank bestimmt, sowie zusätzlich die Unzufriedenheit mit dem Körper nach 6 Monaten.
Ergebnisse
- Bei den Probanden im Schwebetank zeigten sich akut signifikante Verbesserungen bezüglich der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ( ∆ m = - 0,43; 95%-Konfidenzintervall – 0,56 bis – 0,30; p < 0,0001; Cohen´s d = 0,23) und der Ängstlichkeit ( ∆ m = - 15,75; 95%-KI - 17,95 bis – 13,56; p < 0,0001; Cohen´s d = 1,52). In der Kontrollgruppe, die nur die Standardbehandlung erhalten hatte, gab es kein signifikanten Veränderungen.
- Die Verbesserungen bei der Unzufriedenheit mit dem Körper blieben in der floatation-REST-Gruppe vom Ende der Sitzungen bis zum Studienende nach 6 Monaten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt betrug ∆ m – 0,91 (p = 0,0020), wogegen es bei der Kontrollgruppe mit ∆ m = 0,35 (p = 0,96) keine Veränderung gab.
- Nebenwirkungen wurden im Verlauf der Studie nicht berichtet.
Klinische Bedeutung
Die Linderung der „Body dissatisfaction“ nach 8 Einheiten im Schwebetank ist ein Erfolg, zumal diese Intervention im Vergleich zur Summe der anderen Maßnahmen verhältnismäßig wenig aufwändig war. Dass dieses Kriterium zum primären Studienziel gemacht wurde, begründen die Autoren damit, dass ein gestörtes Bild vom eigenen Körper bei der AN eine zentrale Rolle spiele. Als wichtigstes Ziel der Therapie dürfte den meisten Experten allerdings ein gesundes Körpergewicht gelten - wonach hier nicht gefragt wurde. Auch, dass gebräuchliche Instrumente wie das Eating Disorders Inventory oder der Eating Attitudes Test nicht zum Einsatz kamen, erschwert die Beurteilung, ob die gemessenen Veränderungen klinisch relevant sind.
Finanzierung: The William K. Warren Foundation.
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