Welche Impfpflicht hätten’s denn gern?
- Presseagentur Gesundheit (pag)
- Im Diskurs
Nun sind alle aus der Deckung gekommen. Zur heiß diskutierten Impfpflicht liegen drei Gesetzentwürfe auf den Tischen der Bundestagsabgeordneten – und zwei, die sich gänzlich gegen dieses Instrument aussprechen. Die Entscheidung könnte in den beiden Sitzungswochen im März (14. bis 19. und 21. bis 25.) fallen. Allerdings scheint auch ein großer fraktionsübergreifender Kompromiss gar nicht so unwahrscheinlich.
Saskia Esken flirtet mit der Union. Die SPD-Chefin begrüßt Medienberichten zufolge ausdrücklich, dass die Union einen Vorschlag zur Impfpflicht eingebracht hat. Die Idee einer phasenweisen Umsetzung wäre „durchaus bedenkenswert“. Ähnlich äußert sich Dagmar Schmidt, Fraktionsvize der Sozialdemokraten im Bundestag und unter anderem für Gesundheitspolitik zuständig. „Die Richtung des Gesetzentwurfs stimmt. Auch die CDU/CSU will am Ende eine allgemeine Impfpflicht“, sagt sie der Presseagentur Gesundheit. Und die Gruppe um Prof. Andrew Ullmann (FDP) hält ihre Ideen für „anschlussfähig“ an die anderen Vorschläge. Kommt vielleicht der große Kompromiss vor den Sitzungswochen im März? Ullmann: „Ich würde garantiert nichts ausschließen wollen.“
Union will Impfvorsorgegesetz
Der Union dürfte das Umgarnen gefallen. Doch was planen die drei Gruppen überhaupt? Die CDU/CSU will ein Impfvorsorgegesetz. Dem Entwurf zufolge soll eine Pflicht nur unter bestimmten Bedingungen und nur für bestimmte Personen gelten. Folgende Faktoren für diese flexible Lösung sind für die Union entscheidend: Schwere der vorherrschenden Virusvariante, hohe Ansteckungsgefahr, Verfügbarkeit eines passenden Impfstoffs sowie der Stand der Immunität in der Bevölkerung. Nach Abwägung könne dann ein Impfmechanismus greifen und eine Impfpflicht für über 50 und über 60 jährige sowie für Beschäftigte der kritischen Infrastruktur. Dies aber „als letztes Mittel“, betont Fraktionsvize Andrea Lindholz in einem Pressegespräch. Voraussetzung wäre ein separater Bundestagsbeschluss. Das hieße, dass innerhalb kurzer Zeit zahlreichen Bürgern die Vakzine verabreicht werden müssten. „In der Theorie könnten wir innerhalb von drei Tagen diese Menschen durchimpfen“, glaubt CSU-Bundestagsmitglied Sepp Müller. Vorausschauend soll das Gesundheitsministerium alle 14 Tage das Parlament über das aktuelle Virusgeschehen informieren. Das Vorhaben klingt etwas realitätsfern.
Impfregister für gezielte Ansprachen
Außerdem setzt die Union auf ein Impfregister. Dieses „soll dazu genutzt werden, die verschiedenen Altersgruppen über die bei ihnen jeweils notwendigen Impfungen und Auffrischungen rechtzeitig zu informieren, eine gezielte Ansprache bislang Ungeimpfter sicherzustellen und hier auch für eine geeignete Beratung zu sorgen“, heißt es im Antrag. Für die Durchsetzung des Gesetzes regt die Union an, eine „Taskforce“ beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe einzurichten. Leiter der Behörde ist Armin Schuster. Der hat übrigens ein CDU-Parteibuch.
Impfpflicht für alle
Am gleichen Tag legen auch die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht ihren Gesetzentwurf vor, nachdem bereits Eckpunkte bekannt wurden. Dieser Gruppe gehören unter anderem Dagmar Schmidt (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) oder Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) an. „Wir sorgen vor, damit im kommenden Winter nicht erneut unser aller Alltag eingeschränkt werden muss“, betont die Gruppe. Die Maßnahme soll für alle Erwachsenen gelten, am 1. Oktober in Kraft treten, vierteljährlich evaluiert werden und bis zum 31. Dezember 2023 befristet sein. „Wenn Menschen trotz Information und Beratungsangebot bis dahin kein Impfangebot wahrnehmen, wird die zuständige Ordnungsbehörde informiert“, heißt es im Begleitpapier zum Entwurf.
Die Kassen kritisieren bereits nach Bekanntgabe der Eckpunkte ihre vorgesehene Rolle bei diesem Vorschlag. Sie sollen bis zum 15. Mai ihre Versicherten über die gesetzliche Impfpflicht informieren und die Einhaltung dieser dokumentieren. Die Kosten würden den Kassen durch den Bund erstattet, geht aus dem Entwurf hervor. „Wir wollen den Weg mit den Kassen gemeinsam gehen“, sagt Heike Baehrens (SPD) im Pressegespräch. Von Interesse für die Kassen könne die Datengewinnung für Forschungszwecke sein. „Die gesetzlichen Krankenkassen sind selbstverständlich bereit, ihre Aufgaben in der Information und Beratung bei den 73 Millionen gesetzlich Versicherten wahrzunehmen“, sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Die Durchsetzung und Kontrolle einer eventuellen gesetzlichen Impfpflicht wäre dagegen die Aufgabe des Staates.“
Erst zum Arzt
Erst ein verpflichtendes Aufklärungsgespräch beim Arzt und wenn das nichts bringt: Impfpflicht für über 50-Jährige – so lautet der Ansatz des dritten Vorschlags. Dieser kommt ebenfalls aus den Reihen der Ampel und wird der Presse am 16. Februar vorgestellt. Die Parlamentarier um FDPler Ullmann weisen den Krankenkassen ebenfalls eine entscheidende Rolle zu. Sie sollen alle Erwachsenen persönlich kontaktieren und über Beratungs- und Impfmöglichkeiten informieren. „Bis zum 15. September 2022 müssen diese Personen entweder über einen Impf- oder Genesenennachweis oder über den Nachweis über die Inanspruchnahme einer ärztlichen Impfberatung verfügen“, heißt es im Entwurf. Falls im Herbst und Winter trotzdem eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe, könnte vorher die altersbezogene Impfpflicht eingeführt werden. Voraussetzung wäre ein separater Bundestagsbeschluss. Die Regelung soll – wie die allgemeine Impfpflicht – vierteljährlich evaluiert werden und bis zum 31. Dezember 2023 befristet sein.
Alle drei Entwürfe sehen übrigens keine Haftstrafen vor, sondern lediglich Bußgelder. Gemein haben die Vorschläge außerdem, dass die Impfkampagne intensiviert werden soll. Das könnte notwendig werden, denn durch den Wegfall von 2G in vielen Bereichen, sinkt der Anreiz sich impfen zu lassen womöglich. Dessen ist sich Dr. Herbert Wohlmann (SPD) aus der Ullmann-Gruppe bewusst. Er setzt deswegen auf das verpflichtende Gespräch. „Dort werden alle Versicherten über 18 Jahren mit der Problematik konfrontiert werden.“
Promi-Antrag gegen Impfpflicht
Gänzlich gegen eine Impfpflicht spricht sich die AfD-Fraktion aus. Bereits im vergangenen Jahr positionierten sich auch Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, und ihr Parteifreund und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sowie andere Liberale in einem Antrag gegen eine allgemeine Impfpflicht. Sie setzen auf Informationen und niedrigschwellige Angebote statt Pflicht. Diese sei nicht verhältnismäßig. „Insbesondere steigt der Begründungsaufwand für eine solche Pflicht, je öfter die verpflichtende Impfung wiederholt werden muss“, argumentieren sie unter anderem. Außerdem würde es sich um einen Bruch eines Versprechens handeln. Das „würde […] langfristige Schäden in der Gesellschaft hinterlassen, die zum heutigen Zeitpunkt kaum absehbar wären und keinesfalls zu unterschätzen sind“.
Der Antrag wird mittlerweile nicht nur von Freidemokraten getragen. Tabea Rößner von den Grünen ist dabei ebenso wie Jana Schimke und Jens Koeppen -beide CDU. Dazu gesellen sich einige Linke – unter ihnen die Parteipromis Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht.
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