Vision Zero schreit nach Prävention
- Presseagentur Gesundheit (pag)
- Im Diskurs
Eine „Vision Zero“ ist bei Krebs noch in weiter Ferne, kritisieren Experten auf dem gleichnamigen Kongress, in dessen Mittelpunkt das Ziel steht, die vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle gegen Null zu bringen. Im Straßenverkehr, in der Luftfahrt und bei der Sicherheit am Arbeitsplatz ist man mit diesem Anspruch sehr erfolgreich, „aber beim Krebs sind wir noch 50 Jahre zurück“, meint Prof. Christoph von Kalle.
Der Gründungsdirektor des BIH Charité Studienzentrums konstatiert, dass die meisten Ressourcen im Reparaturbetrieb verwendet und nur sehr wenig in Prävention und Früherkennung gesteckt werden. Von Kalle nennt das Beispiel Zervixkarzinom: „Obwohl ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, sind nur etwa 50 Prozent der in Frage kommenden jungen Frauen und viel weniger Männer geimpft.“ Beim Darmkrebs verweist er auf die wahrscheinlich noch immer völlig unbefriedigende Teilnahmesituation beim Einladungsverfahren. Hier könne von anderen europäischen Ländern gelernt werden. Mit Blick auf Lungenkrebs wünscht sich der Wissenschaftler entschlossenere Schritte gegen die Tabakwerbung. Das Grundsatzproblem bringt er wie folgt auf den Punkt: „Die Prävention hat keinen Eigentümer.“ Es gebe niemanden, der dafür zuständig ist.
„Jeden Stein umdrehen“
Von Kalle fasst auf dem Kongress zusammen: „Nach unserem heutigen Kenntnisstand könnte die Hälfte aller Krebserkrankungen wahrscheinlich durch intelligente Präventions- und Früherkennungskonzepte, die wir im Prinzip schon kennen, vermieden werden.“ Bei der anderen Hälfte könnte durch Präzisionsdiagnostik und innovative Therapiekonzepte sicherlich auch noch eine Menge erreicht werden. Das bedeute: „Wir haben das Potenzial schon mit den uns bereits zur Verfügung stehenden Mitteln in vielfachen Fällen dem Krebs die rote Karte zu zeigen.“ Voraussetzung sei aber, dass man einen Prozess wolle, bei dem „jeder Stein“ umgedreht wird.
Vernetzen in und mit Forschung und Versorgung
Einige Steine werden bereits im Rahmen der seit zweieinhalb Jahren laufenden Dekade gegen Krebs umgedreht. So wählt beispielsweise eine Arbeitsgruppe besonders geeignete Programme für die Krebspräventionsforschung aus, die dann auch schnell in die Anwendung gebracht werden können, erläutert Prof. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums, auf dem Vision-Zero-Kongress. Baumann ist Ko-Vorsitzender des Strategiekreises der Nationalen Dekade. Zuallererst sei im Rahmen der Dekade eine Ausschreibung für „Praxisverändernde klinische Studien“ auf den Weg gebracht worden. Neben einer Arbeitsgruppe, die sich mit „großen ungelösten Fragen der Krebsforschung“ beschäftigt, setzt sich eine weitere mit dem Thema Vernetzung der verschiedenen Akteure auseinander. Ein „dickes Brett“, wie Baumann einräumt, und sehr wichtig, „weil wir heute die Forschung sehr verknüpft betreiben müssen“. Die Behandlung müsse dagegen sehr forschungsorientiert betrieben werden. Insofern sei die Verknüpfung eigentlich zwangsläufig, aber hierzulande noch nicht annährend so gut etabliert wie sie sein sollte. Derzeit finden Baumann zufolge Überlegungen in der Arbeitsgruppe statt, die Zusammenarbeit über Regionen zu fördern.
NCT: Arbeit am Strategiepapier
Last but not least geht es in einer weiteren Arbeitsgruppe um den Aufbau weiterer NCT-Standorte. Zu den zwei Standorten in Heidelberg und Dresden sollen weitere in Berlin, Essen/Köln, Tübingen und Würzburg dazukommen. Derzeit wird an einem gemeinsamen Strategiepapier gearbeitet, ein sehr intensiver und spannender Prozess, wie der DKFZ-Chef berichtet. Es gehe darum, eine gemeinsame Struktur zu finden, die über die Standorte hinweg funktionieren soll. Das Ziel: als gemeinsames Netzwerk konkurrenzfähig zu den riesigen Zentren in Nordamerika oder Asien zu sein.
Baumann ist es ein Anliegen, die wichtigen und nachhaltigen Inhalte der Dekade darzustellen. Doch nach der Bundestagswahl werde man auch über neue Möglichkeiten und Programme sprechen, glaubt er. Konkret nennt er etwa die Datenwissenschaft, die große Vorteile in der Onkologie bewirken werde, sowie die Lebensqualitätsforschung.
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