Ungewöhnlich hohe Übertragungsrate von Influenza in US-Haushalten im vergangenen Jahr
- Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Global waren im Winter 2021/22 die Influenzainfektionszahlen auf einem historisch niedrigen Stand, auch in den USA und in Deutschland (1, 2). Zugleich aber infizierten sich in den USA deutlich häufiger Menschen, mit Grippekranken zusammenlebten, als in den Jahren zuvor. 50 % aller Haushaltsmitglieder einer grippekranken Person steckten sich an, in den Jahren vor der Coronapandemie waren es nur 20,1 % (3). Gründe könnten genetische Variationen der Virusantigene sein, die immer wieder zu saisonalen Schwankungen führen. Es könnten aber auch pandemiespezifische Veränderungen dazu geführt haben, dass die natürliche Immunität gegenüber Influenza abgenommen hat. Das hat Bedeutung für die Prävention.
Hintergrund
Saisonale Influenzawellen verursachen in Deutschland jährlich zwischen 1 bis 7 Millionen zusätzlicher Arztkontakte, in Jahren mit starken Grippewellen auch deutlich mehr (2). Die Grippesaisons 2020/21 und 2021/22 waren in Deutschland ebenso wie in vielen anderen Ländern Ausnahmen: durch die Schutzmaßnahmen während der SARS-CoV-2-Pandemie gab es keine Grippewellen im herkömmlichen Sinne. Eigentlich beginnt die Grippesaison auf der Nordhalbkugel ab der 40. Kalenderwoche und dauert bis zum Frühjahr des kommenden Jahres an. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention wollten wissen, ob sich das Influenzainfektionsrisiko innerhalb von Lebensgemeinschaften zwischen der Saison 2021/22 und früheren Jahren unterschied (3). Die Inkubationszeit der Grippe ist im Allgemeinen kurz: Sie beträgt durchschnittlich 1-2 Tage.
Design
- Studienform: prospektive Studie zur Influenzaübertragung in 2 US-Bundesstaaten in der Ära vor der Coronapandemie (2017-2020) und in 4 US-Bundesstaaten in der Grippesaison 2021/22.
- Definition der Indexfälle: erster PCR-Test-bestätigter Fall einer Grippe in einem Haushalt in der Saison
- Aufnahme der Teilnehmer: Indexfälle wurden eingeschlossen und sämtliche Haushaltsmitglieder einer Indexperson; sie wurden für 5-10 Tage seit Beginn der Erkrankung der Indexperson nach Symptomen befragt und auf Influenza getestet
Hauptergebnisse
- Von 84 Primärinfizierten und 186 Haushaltskontakten in der Saison 2021/22 lagen vollständige Daten vor.
- Das mediane Alter der Indexpersonen betrug 10 Jahre, das der Haushaltskontaktpersonen 28,5 Jahre.
- Auch von 152 Primärinfizierten und 353 Haushaltskontakten aus der präpandemischen Ära konnten vollständige Daten ausgewertet werden.
- Das mediane Alter der Primärinfizierten lag hier bei 13 Jahren und das der Haushaltkontaktpersonen bei 33 Jahren.
- In der präpandemischen Ära hatten sich 20,1 % der Haushaltkontaktpersonen mit Influenza infiziert, in der Saison 2021/22 aber waren es 50,0 %.
- Das Risiko für Haushaltmitglieder, sich anzustecken, lag in der Saison 21/22 um den Faktor 2,31 über denen der drei früheren Winterperioden. Der Risikofaktor war bereits um das Alter der Familienmitglieder, die Größe der Familie, die Zahl Geimpfter in der Familie und das Risiko für Hauptkontaktpersonen adjustiert.
Klinische Bedeutung
Diese methodisch aufwendige und qualitativ hochwertige Studie der US-amerikanischen Infektionschutzbehörde belegt eine deutlich höhere Transmissionsrate von Influenza im Winter 2021/22 während der Coronapandemie als in früheren Jahren.
Es könne sich um eine saisonale Schwankung handeln, die auch ohne die SARS-CoV-2-Pandemie aufgetreten wäre, so das Forscherteam, das lasse sich nicht ausschließen.
Möglich sei aber auch eine geringere Viruszirkulation durch Coronaschutzmaßnahmen, die die Exposition der Bevölkerung gegenüber saisonalen Influenzaantigenen verringert und damit die Ausbildung von Immunität verhindert habe. Diese Möglichkeit wurde international von Infektiologen diskutiert.
Gerade in solchen Zeiten könne es sinnvoll sein, Kontaktpersonen von Grippeinfizierten zu intensiveren Schutzmaßnahmen zu raten, da sie stärker gefährdet sein könnten.
Finanzierung: öffentliche Mittel
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