Trikuspidalklappen-Insuffizienz: die unterschätzte Herzerkrankung

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Konferenzberichte by Medscape
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Von Ute Eppinger

Die Insuffizienz der Trikuspidalklappe wird unterschätzt. Die Prävalenz der Erkrankung liegt bei 5% der über 70-Jährigen. „Umgerechnet auf Europa sind rund 3 Millionen Patienten davon betroffen“, erinnerte Prof. Dr. Thomas Schmitz, Chefarzt des Contilia Herz- und Gefäßzentrums der Klinik für Kardiologie und Angiologie in Essen, auf der Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) anlässlich der Herztage 2022.

Dennoch, so Schmitz, Sprecher der interventionellen Kardiologie in der DGK, habe die Trikuspidalklappe lange als „vergessene Klappe“ gegolten. „Die Bedeutung der Trikuspidalklappen-Insuffizienz wurde lange unterschätzt, bis vor Kurzem gab es für sie auch nur einen konservativen Therapieansatz“, berichtete Schmitz.

Man unterscheidet bei der Trikuspidalklappen-Insuffizienz (TI) die primäre TI (8 bis 10%, direkte Erkrankung der Klappe) von der sekundären TI (90%; dabei ist das gesamte Herz oder der Herzmuskel erkrankt). Medikamentös wird die TI wie die klassische Herzinsuffizienz behandelt – oder die Klappe kann chirurgisch ersetzt werden. „Man muss aber sagen, dass viele Patienten nicht operiert werden können aufgrund eines relativ hohen OP-Risikos“, sagt Schmitz. Vor diesem Hintergrund kommen zunehmend interventionelle Verfahren zum Einsatz.

Klappenverschluss mit Clipsystemen zeigt guten Akut-Effekt …

„Liegt eine hochgradige Undichtigkeit der Trikuspidalklappe vor, kommt es bei den Patienten zunehmend zu Wassereinlagerungen, die Beine werden etwas dicker, in der Lunge sammelt sich Wasser an, und die Patienten bekommen schlechter Luft.“ Aktuelle Daten zeigten, dass gerade Patienten mit einer signifikanten TI – also mit einer hochgradigen Undichtigkeit dieser Klappe – auch eine erhöhte Morbidität und Mortalität aufweisen, so Schmitz.

Interventionell lässt sich eine TI mit Clipsystemen behandeln, die über die Leistenvene eingeführt werden. Mit einem Clip wird dann die undichte Stelle in der Trikuspidalklappe verschlossen. „Nach Positionierung zweier solcher Clips oder Klammern ist die Undichtigkeit fast verschwunden“, berichtet Schmitz.

Erste Daten zur TRILUMINATE-Studie legen „einen sehr guten Akut-Effekt“ nahe. 58% der Patienten weisen eine höchstgradige Undichtigkeit der Trikuspidalklappe auf. 30 Tage nach dem Eingriff zeigt sich bei einer großen Gruppe der Patienten (über 74%) keine oder nur noch eine geringgradige Trikuspidalklappen-Insuffizienz.

Noch wichtiger für die Patienten sei, dass sie nach dem Eingriff deutlich höher belastbar sind. Initial wiesen die Patienten ein NYHA-Stadium III bis IV auf. „Schon bei einer Etage Treppensteigen bekommen diese Patienten keine Luft mehr, teilweise sogar in Ruhe; diese Patienten können am Alltagsleben gar nicht mehr teilnehmen“, betont Schmitz. Nach der Therapie haben fast 80% kaum noch Luftnot oder nur noch unter stärkster Belastung: „Für die Patienten ist das ein sehr guter Benefit, diese Leute sind deutlich besser belastbar.“

… und eine Verbesserung, die auch über 12 Monate anhält

Daten zu einem anderen Clipsystem zeigen eine anhaltende Verbesserung über 12 Monate. Insgesamt 30 Patienten (Alter 77 ± 6 Jahre; 57% weiblich) erhielten zwischen September 2017 und Mai 2019 eine PASCAL-Implantation und absolvierten eine klinische Nachuntersuchung nach 12 Monaten. Alle Patienten wiesen initial eine schwere TI auf und Herzinsuffizienz-Symptome (90% der Patienten in NYHA III oder IV).

Die 1-Jahres-Überlebensrate betrug 93%; 6 Patienten mussten wegen akuter Herzinsuffizienz rehospitalisiert werden. 90% erreichten NYHA I oder II, und die 6-Minuten-Gehstrecke verbesserte sich von 275 ± 122 Meter bei Studienbeginn auf 347 ± 112 Meter nach 12 Monaten (+72 ± 82 m, p<0,01).

Während der Nachbeobachtung kam es zu keinem Schlaganfall, keiner Endokarditis und keiner Geräteembolie. Mittlerweile, so Schmitz, lägen Daten über 2 Jahre vor. Diese zeigen, dass über 90% der Patienten nach 1 Jahr nur eine Luftnot bei stärkster Belastung (90% der Patienten in NYHA I oder II) aufweisen. „Wir erzielen mit diesem Verfahren bei Patienten, die eben nicht operiert werden können, einen sehr guten klinischen Effekt.“

Derzeit sind Clipsysteme in der Entwicklung, die es erlauben, über die Leiste die Trikuspidalklappe nicht nur zu reparieren, sondern sie – wie bei der TAVI (Transcatheter Aortic Valve Implantation) – auch komplett zu ersetzen.

Therapie der alten Patienten – wenn das Herzteam entscheidet

Derzeit, bestätigt Schmitz, handele es sich bei dem Eingriff um eine symptomatische Therapie: „Diese Patienten sind hochsymptomatisch, und in der Nachbehandlung kommt es zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität. Wir können aber nicht davon sprechen, dass der Eingriff wirklich die Lebenserwartung verlängert, zumal es sich um relativ alte Patienten handelt.“

Über 50% der Patienten, die in Deutschland mit kardiovaskulären Erkrankungen stationär versorgt werden müssen, sind über 75 Jahre alt. Dennoch liegen gerade für diese Patientengruppe häufig nur unzureichende Daten vor, weil das Alter in vielen Studien ein Ausschlusskriterium ist. „Evidenzbasierte Empfehlungen für diese Patientengruppe in den Leitlinien sind deshalb eine Seltenheit“, so Schmitz.

Um gerade alte Patienten optimal zu behandeln, sind interdisziplinäre Entscheidungswege durch Teams aus Kardiologen, Internisten, Palliativmedizinern und Herzchirurgen notwendig. Weist ein älterer Patient eine hochgradige Undichtigkeit der Trikuspidalklappe auf, werde der Fall im sog. Herzteam besprochen, dann gehe man gemeinsam zum Patienten mit einer konkreten Therapieempfehlung und bespreche diese mit dessen Familie: „Das ist sicher keine klassische evidenzbasierte Medizin, bei solchen Fällen kommt die ärztliche Entscheidung zum Tragen.“  

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Medscape.de.