Transplantationsprogramm für Senioren: Wartezeit deutlich verkürzt, Sterblichkeit gesenkt
- Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Das Old-for-Old-Programm für die Nierenallokation über die zuständige Vermittlungsstelle Eurotransplant erhöht die Chancen für ältere Menschen, zu Lebzeiten noch eine neue Niere zu erhalten und damit unabhängig von der Dialyse zu werden. Eine große, in Kidney International publizierte Kohortenstudie ( https://doi.org/10.1016/j.kint.2023.05.025) ergibt außerdem: Werden bei der Zuteilung der Nieren die HLA-DR-Antigene berücksichtigt, verbessern sich die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeiten der Patienten und der Nierentransplantate signifikant.
Hintergrund
Die Wartezeit auf eine postmortale Niere liegt in Deutschland bei median 8,9 Jahren - mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen (1). Mehr als die Hälfte der Patienten, die aufgrund einer Niereninsuffizienz in Nierenersatzprogramme aufgenommen werden, sind 65 Jahre oder älter. Eine Transplantation würde die Überlebenszeit dieser Patienten im Vergleich zur Dialyse verdoppeln. Doch nur wenige Ältere haben überhaupt die Chance, rechtzeitig ein Spenderorgan zu erhalten. Mehr als die Hälfte der Dialysepatienten ≥ 65 Jahre erlebt in der Regel den Tag der Transplantation wegen der langen Wartezeit nicht mehr. Im Eurotransplant-Seniorenprogramm ESP werden Nieren von Spendern ≥ 65 Jahre an Empfänger der gleichen Altersgruppe vergeben. Hauptkriterien der Zuteilung sind Wartezeit, Blutgruppenkompatibilität und die regionale Nähe. Die mediane Wartezeit ist im ESP-Programm für deutsche Nierenempfänger von 8,9 auf 3,7 Jahre verringert (1). Nun hat ein Konsortium von ET-Mitgliedsländern untersucht, ob die Berücksichtigung von HLA-DR-Antigenen bei der Allokation der Organe Einfluss auf das klinische Ergebnis hat (2).
Design
- Studienform: Kohortenstudie mit paarweiser Allokation von 675 postmortal entnommenen Nieren mit und ohne Berücksichtigung der HLA-DR-Antigene
- Allokationsalgorithmus: Die erste von beiden Nieren eines Spenders wurde an HLA-DR-kompatible Empfänger vergeben (kein HLA-DR-Mismatch) und die zweite Niere nach dem bisherigen Allokationsprinzip ohne Berücksichtigung der HLA-DR-Antigene
- Zeitrahmen der Organspende: Januar 2010 bis Januar 2014
Hauptergebnisse
- Vollständige HLA-DR-Matches zwischen Spender und Empfänger waren im 5-Jahreszeitraum mit einer um circa 30 % niedrigeren Gesamtsterblichkeit assoziiert im Vergleich zur Gruppe der Empfänger, die nicht-gematchte Nieren erhielt. Der Unterschied war statistisch signifikant (Hazard Ratio [HR] für Tod: 0,71; [95-%-Konfidenzintervall][0,53-0,95]; p < 0,05).
- Die Wahrscheinlichkeit für ein Transplantatversagen und für die Rückkehr an die Dialyse war in der Gruppe mit HLA-DR-Matching nach 1 Jahr um 45 % erniedrigt (HR: 0,55; [0,35-0,87]; p < 0,01) und nach 5 Jahren noch um knapp 30 % niedriger (HR: 0,71; [0,50-0,98]; p < 0,05).
- Die Rückkehr an die Dialyse innerhalb des ersten Jahres nach Transplantation war mit einer hohen Übersterblichkeit innerhalb von 5 Jahren assoziiert.
- Die Wartezeit, berechnet vom 1. Tag der Dialyse, betrug für die reguläre ESP-Kohorte der Studie median 4,1 Jahre, aber für die Kohorte mit Berücksichtigung der HLA-DR-Antigene nur median 2,4 Jahre - auch dies ein statistisch hoch signifikanter Unterschied.
Klinische Bedeutung
Eine Zuteilung von postmortalen Nieren älterer Spender an altersentsprechende Empfänger auf Grundlage des HLA-DR-Matchings senkt die 5-Jahressterblichkeit deutlich und verbessert auch das Überleben der transplantierten Organe, so das Resümée des Studienteams (3). Auch wenn sich die Dauer der kalten Ischämie des Spenderorgans durch den HLA-DR-Abgleich etwas verlängert, überwiegen nach Auffassung der Autoren doch die klinischen Vorteile des Matchings. Vermutlich sei die kürzere Dialysezeit einer von mehreren wichtigen Faktoren, die einen Einfluss auf die Sterblichkeit der Organempfänger haben.
Finanzierung: keine Angaben
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