Tiefschlaf stärkt womöglich die kognitive Reserve
- Megan Brooks
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Tiefschlaf kann offenbar als Puffer gegen den kognitiven Verfall bei älteren Erwachsenen mit Alzheimer-Pathologie fungieren, indem er die kognitive Reserve schützt, so neue Forschungsergebnisse. Die Forscher fanden heraus, dass der Tiefschlaf, auch bekannt als Non-REM-Slow-Wave-Schlaf, die Gedächtnisfunktion bei kognitiv normalen Erwachsenen mit einer hohen Beta-Amyloid-Belastung schützen kann.
"Man kann sich den Tiefschlaf fast wie eine Rettungsinsel vorstellen, die das Gedächtnis über Wasser hält, anstatt dass es durch die pathologischen Veränderungen von Morbus Alzheimer nach unten gezogen wird", sagte Studienleiter Matthew Walker, Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California Berkeley, in einer Pressemitteilung. Die Studie wurde am 3. Mai online in BMC Medicine veröffentlicht.
Resilienz-Faktor
Die Untersuchung der Resilienz gegenüber bestehenden Hirnpathologien ist "eine aufregende neue Forschungsrichtung", sagte die Hauptautorin Dr. Zsófia Zavecz vom Center for Human Sleep Science in Cal Berkeley.
"Das heißt, welche Faktoren erklären die individuellen Unterschiede in der kognitiven Funktion trotz des gleichen Grades an pathologischen Veränderungen im Gehirn, und wie kommt es, dass einige Menschen mit erheblicher Pathologie ein weitgehend erhaltenes Gedächtnis haben?", fügte sie hinzu.
An der Studie nahmen 62 kognitiv normale ältere Erwachsene aus der Berkeley Aging Cohort Study teil. In einem Schlaflabor wurden über zwei Nächte hinweg EEGs aufgezeichnet und PET-Scans zur Quantifizierung von Beta-Amyloid verwendet. Die Hälfte der Teilnehmer hatte eine hohe Beta-Amyloid-Belastung, die andere Hälfte war Beta-Amyloid-negativ. Nach den Schlafuntersuchungen absolvierten alle Teilnehmer eine Gedächtnisaufgabe, bei der sie Namen Gesichtern zuordnen mussten.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der tiefe NREM-Slow-Wave-Schlaf die Auswirkung des Beta-Amyloid-Status auf die Gedächtnisfunktion deutlich abschwächt.
Insbesondere unterstützte die langsame NREM-Wellenaktivität selektiv eine bessere Gedächtnisfunktion bei Erwachsenen mit hoher Beta-Amyloid-Belastung, die am meisten auf eine kognitive Reserve angewiesen sind (B = 2,694, P = 0,019), berichten die Forscher.
Im Gegensatz dazu profitierten Erwachsene ohne signifikante pathologische Beta-Amyloid-Belastung - und damit ohne den gleichen Bedarf an kognitiver Reserve - nicht derart von der langsamen NREM-Wellenaktivität (B = -0,115, P = 0,876).
Die Ergebnisse blieben auch nach Anpassung von Alter, Geschlecht, BMI, Atrophie der grauen Substanz und zuvor identifizierten Faktoren für die kognitive Reserve, wie Bildung und körperliche Aktivität, signifikant.
Laut Zavecz gibt es mehrere mögliche Gründe, warum Tiefschlaf die kognitive Reserve unterstützen kann. Ein Grund ist, dass speziell während des Tiefschlafs Erinnerungen im Gehirn wiedergegeben werden, was zu einer "neuronalen Reorganisation" führt, die dazu beiträgt, die Erinnerung zu stabilisieren und sie dauerhafter zu machen.
"Andere Erklärungen sind die Rolle des Tiefschlafs bei der Aufrechterhaltung der Homöostase hinsichtlich der Fähigkeit des Gehirns, neue neuronale Verbindungen zu bilden, und die Bereitstellung eines optimalen Gehirnzustands für die Beseitigung von Toxinen, die eine gesunde Gehirnfunktion beeinträchtigen", so die Wissenschaftlerin.
"Inwieweit der Schlaf einen schützenden Puffer gegen schwere kognitive Beeinträchtigungen bieten könnte, muss noch getestet werden. Diese Studie ist jedoch der erste Schritt zu einer hoffentlich neuen Forschungsreihe, die den Schlaf als kognitiven Reservefaktor untersuchen wird", so Zavecz.
Ermutigende Daten
Dr. Percy Griffin, Direktor der "Alzheimer's Association Director of Scientific Engagement" sagte, dass die Ergebnisse trotz der kleinen Stichprobe ermutigend sind, weil Schlaf ein veränderbarer Faktor ist und daher gezielt eingesetzt werden kann. "Es sind weitere Arbeiten in einer größeren Population erforderlich, bevor wir diese Schlafphase vollständig nutzen können, um das Risiko der Entwicklung eines kognitiven Verfalls zu verringern", so Griffin.
Laut Dr. Shaheen Lakhan, Neurologe und Forscher in Boston, ist die Studie "in zweierlei Hinsicht aufregend - wir könnten einen zusätzlichen Marker für die Entwicklung von Morbus. Alzheimer haben, um das Risiko vorherzusagen und die Krankheit zu verfolgen, aber auch Ziele für ein frühzeitiges Eingreifen mit schlafarchitekturverbessernden Therapien, seien sie medikamentös, apparativ oder digital".
"Im Interesse der Gesundheit unseres Gehirns müssen wir uns alle mit dem Konzept der kognitiven oder Gehirnreserve vertraut machen", sagte Lakhan, der nicht an der Studie beteiligt war.
"Die Hirnreserve bezieht sich auf unsere Fähigkeit, sich gegen die Gefahr einer Demenz zu wappnen, und wurde klassischerweise mit einer kontinuierlichen Stimulation des Gehirns in Verbindung gebracht (z. B. höhere Bildung, kognitiv anspruchsvolle Arbeit)", bemerkte er.
"Diese Forschungslinie eröffnet nun die Möglichkeit, dass ein optimaler Schlaf - insbesondere der tiefe NREM-Slow-Wave-Schlaf - mit einer größeren Gehirnreserve gegen die Alzheimer-Krankheit in Verbindung steht", sagte Lakhan.
Die Studie wurde von den National Institutes of Health und der University of California, Berkeley, unterstützt.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise