Thorakale Bandscheibenvorfälle: wie erkennen, wie behandeln?

  • Dr. med.Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Thorakale Bandscheibenvorfälle sind im Vergleich zu zervikalen und lumbalen Bandscheibenvorfällen selten, was mit dazu beiträgt, dass sie nicht selten verzögert erkannt werden. Wie  thorakale Vorfälle erkannt und wie die Patienten behandelt werden, erläutert ein Team um Professor Dr. med. Achim Benditz (Klinikum Fichtelgebirge) in einem aktuellen Zeitschriftenbeitrag ("Schmerzmedizin").

Die Inzidenz thorakaler Bandscheibenvorfälle wird den Autoren zufolge mit 1:1.000 bis zu 1:1.000.000 angegeben; nur etwa 0,1–3% aller Bandscheibenvorfälle seien in der Brustwirbelsäule lokalisiert. Da sie so selten sind, werden sie bei Symptomen auch vergleichsweise selten als Ursache in Erwägung gezogen. Bis zur korrekten Diagnose vergehe immer noch sehr viel Zeit, so Benditz und seine Mitautoren. Im Durchschnitt werde die Erkrankung erst nach rund 14 Monaten diagnostiziert. Thorakale Vorfälle würden traditionell klassifiziert als zentraler (medianer), mediolateraler (paramedianer) oder lateraler Vorfall. Besonders problematisch seien mediane Bandscheibenvorfälle, da sie durch Druck auf die A. spinalis anterior schnell zu einer Ischämie führen könnten.

Bei akuten Schmerzen manchmal Verdacht auf Herzinfarkt und Lungenembolie 

Die Symptome können sich nach Angaben der Autoren akut (innerhalb von Stunden), subakut, aber auch chronisch über Jahre entwickeln. Im Allgemeinen führe ein thorakaler Bandscheibenvorfall zu myelopathischen Beschwerden, die die Arme aussparten; es träten vor allem Schwäche, Gangstörungen und Gefühlsstörungen der unteren Extremität auf. Diese könnten sowohl chronisch als auch subakut und akut vorhanden sein. Je nach Lokalisation und Schwere der Myelopathie könnten die Patienten auch Blasenstörungen haben. Die Mehrzahl der Patienten klage auch über unspezifische Schmerzen der Brustwirbelsäule sowie zum Teil radikuläre Schmerzen am Brustkorb. Die ersten Symptome seien in der Regel jedoch Dorsalgien mit beginnenden leichten neurologischen Ausfallerscheinungen.

Patienten mit Vorfällen in der oberen Brustwirbelsäule geben den Orthopäden zufolge ausstrahlende Schmerzen in eine oder beide oberen Extremitäten an; diese Symptome würden oft als kardial bedingte Beschwerden interpretiert. Diese Schmerzen seien zum Teil akut bis subakut und führten nicht selten zunächst zur Abklärung kardiopulmonaler Ursachen wie Herzinfarkt oder Lungenembolie. Sei der Vorfall in der mittleren Brustwirbelsäule lokalisiert, strahlten die Schmerzen retrosternal beziehungsweise in die Magen- oder Flankengegend aus, so dass manchmal Nierensteine oder eine Gastritis als Ursache vermutet würden. Differenzialdiagnostisch infrage kommen, wie die Autoren weiter berichten, kardiale und  abdominelle Erkrankungen, Zoster, Tumoren, Morbus Bechterew und auch eine Interkostalneuralgie. Vorfälle, die in der unteren Brustwirbelsäule lokalisiert seien, strahlten häufig in die Steißregion aus; sie würden meist zufällig bei MRT-Untersuchungen der Lendenwirbelsäule entdeckt.

Bildgebendes Verfahren der Wahl ist die MRT. Eine Übersichtsaufnahme der gesamten Wirbelsäule sei notwendig, um die korrekte Höhenlokalisation nachvollziehen zu können. Vor operativen Eingriffen sollte zudem eine Myelo-CT durchgeführt werden, die die Beschaffenheit des Vorfalls (verkalkt oder weich) sowie die tatsächliche Myelon-Beeinträchtigung besser differenzieren kann. Elektrophysiologische Untersuchungen könnten bei unklaren Fällen entscheidende Hinweise liefern beziehungsweise als objektive Verlaufsuntersuchungen dienen.

Therapie je nach Schwere konservativ oder operativ

Patienten mit primär radikulären Beschwerden oder leichten Dorsalgien ohne neurologische Ausfälle sollten zunächst konservativ behandelt werden, empfehlen die Orthopäden. Bei primär radikulären Beschwerden sei „die stufenweise Aufsättigung mit neuropathisch wirksamen Analgetika hilfreich, ebenso eine Schmerzmedikation analog dem WHO-Stufenschema“. Unterstützend könnten manuelle Therapien, Krankengymnastik und physikalische Maßnahmen durchgeführt werden, außerdem Wurzelinfiltrationen unter Bildwandler-Kontrolle.

Bei fehlender Linderung der Schmerzen oder leichten Paresen könne nach vier bis acht Wochen eine Operation angeboten werden. Habe ein Patient dagegen neurologische Symptome, etwa höhergradige Paresen oder eine Myelopathie, „sollte zügig operiert werden“. Für den operativen Eingriff gebe es unterschiedliche Techniken und Zugangswege (dorsal, ventral, lateral und posterolateral).

Die präoperativ vorhandenen Schmerzen bessern sich, wie die Orthopäden weiter berichten, bei circa 85–90 % der Patienten;  bei kranial gelegenen Vorfällen seien die Ergebnisse tendenziell besser als bei als kaudal gelegenen. Die präoperativ vorhandenen Paresen der unteren Extremität gingen in etwa 80 % der Fälle deutlich zurück. Nur bei zwei Prozent der  Patienten blieben schwere Defizite. Auch die sensiblen Defizite nähmen bei 75 % der Patienten deutlich ab. Die Gangstörung besserten sich in 85% der Fälle. Ebenso verbesserten sich Blasen-Mastdarm-Störungen in 90 % der Fälle.