Therapieresistente Depression: Studie ergibt Vorteile für Ketamin gegenüber Elektrokrampftherapie
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
In einer US-Studie mit mehr als 400, zumeist ambulanten, Patienten mit schweren, therapieresistenten Depressionen war intravenöses Ketamin in subanästhetischen Dosen kurzfristig mindestens so gut wie eine Elektrokrampftherapie – sowohl bezüglich der Ansprechraten als auch der Remissionen. Die Studie wurde jedoch wegen methodischer Schwächen kritisiert und bei der Lebensqualität gab es nach 6 Monaten keine Unterschiede mehr.
Hintergrund
Für Patienten mit therapieresistenten Depressionen wird gegenwärtig als Optionen sowohl intravenöses Ketamin in subanästhetischen Dosen diskutiert als auch eine Elektrokrampftherapie (EKT). Zwar wurde kürzlich eine kleine Meta-Analyse publiziert, wonach die EKT die bessere Methode sei. Für die Autoren der aktuellen Studie ist die relative Wirksamkeit der beiden Behandlungen jedoch „unsicher“.
Design
Offene, randomisierte Studie im 403 Patienten, die wegen behandlungsresistenten Depressionen ohne Psychosen in einer von 5 US-amerikanischen EKT-Klinik vorstellig wurden. Die Behandlung erfolgte während der ersten 3 Wochen mit 0,5 mg Ketamin / kg 2-mal wöchentlich oder EKT 3-mal wöchentlich. Anschließend wurde das Ansprechen auf die Therapie geprüft – hier definiert als eine Verbesserung von mindestens 50 % im Wert des 0 – 27 Punkte umfassenden „Depressive Symptomatology“-Selbstberichtes (QIDS-SR-16). Patienten, die dieses Kriterium erfüllten, wurden weitere 6 Monaten nachverfolgt und mit der Option behandelt, die ursprünglich zugewiesene Therapie weiterhin zu bekommen. Geprüft wurde, ob Ketamin nicht schlechter ist als EKT, was definiert war als ein Unterschied von maximal 10 Prozentpunkten.
Ergebnisse
- Die Patienten in der „Intention-to-treat“-Population waren durchschnittlich ca. 46 Jahre alt und zu 53 % weiblich. Ihre erste depressive Episode hatten sie im Mittel 19,5 Jahre vor Studienbeginn gehabt. Die Schwere der Depression nach MADRS lag bei 32,5 und gemäß QUIDS-SR-16 bei 18 Punkten. 38 Patienten hatten sich vor Beginn der zugewiesenen Behandlung aus der Studie verabschiedet, davon 33 in der EKT-Gruppe.
- Unter Ketamin sprachen 55,4 % der Patienten auf die Therapie an, unter EKT waren es 41,2 %.
- Die Differenz von 14,2 Prozentpunkten zugunsten Ketamin hatte ein 95%-Konfidenzintervall von 3,9 – 24,2 – somit war die Nicht-Unterlegenheit des Narkotikums belegt (P < 0,001).
- Beim MADRS sprachen 50,8 % der Patienten unter Ketamin auf die Behandlung an gegenüber 41,1 % nach EKT. Die Differenz von 9,3 Prozentpunkten hatte ein 95%-KI von – 0,9 bis 19,4. Eine Remission erlebten unter Ketamin 37,9 % gegenüber 21,8 % unter EKT.
- Bei 3 verschiedenen Gedächtnistests erzielten Patienten zum Ende der Behandlung unter EKT schlechtere Ergebnisse als unter Ketamin, jedoch waren die Ergebnisse einen Monat später in beiden Gruppen ähnlich.
Klinische Bedeutung
Die Ergebnisse der aktuellen Studie stehen scheinbar im Widerspruch zu einer kleinen Meta-Analyse und der KetEKT-Studie, bei denen Remissionen unter Ketamin jeweils seltener gewesen waren. Als mögliche Erklärung führen die Autoren der aktuellen Untersuchung an, dass 89 % der Patienten ambulant behandelt und solche mit Psychosen ausgeschlossen waren. Die Verabreichung der EKT war außerdem ungewöhnlich, weil die Anwendung erst unilateral erfolgte, um Gedächtnisprobleme zu vermeiden, und die Wirkdauer dadurch möglicherweise zu kurz war.
Der Kommentator Robert Freedman (Aurora) gibt außerdem zu bedenken, dass die bewusstseinsverändernde Wirkung des Ketamins zu einem unangemessenen Enthusiasmus bei Patienten wie Ärzten geführt haben könnte – obwohl die Lebensqualität nach 6 Monaten in beiden Gruppen wieder gleich war. Freedman verweist auf die Epidemie des Opiat-Missbrauchs in den USA und regt an, dass wie vor einer EKT den Patienten auch vor der Gabe von Ketamin ein Aufklärungsbogen vorgelegt werden sollte mit der Warnung, dass die kurzfristige Erleichterung womöglich langfristige negative Folgen haben könnte.
Finanzierung: Patient-Centered Outcomes Research Institute.
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