Kernbotschaften
Thrombosen nach COVID-19-Impfung werden durch Autoimmunreaktionen auf Blutplättchen hervorgerufen. Eine Aktivierung und Aggregation der Plättchen, die der Bildung von Autoantikörpern vorangehen, erfolgt vor allem bei intravaskulärer Injektion und nicht bei intramuskulärer, wie dies lege artis ist. Speziell bei COVID-19-Impfstoffen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) daher eine Aspiration vor Injektion als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme.
Hintergrund
1-2/100.000 Menschen, die mit vektorbasierten Vakzinen gegen COVID-19 geimpft wurden, haben eine Thrombose entwickelt. Zum Teil war diese kombiniert mit einer Thrombozytopenie (Vakzine-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie [VITT]). VITTs treten im Allgemeinen 4–21 Tage nach der Impfung auf, und zwar an untypischen Lokalisiationen wie den Hirnvenen, in der Milz oder in der Leber. Die Gründe werden weiterhin untersucht, um generell die Sicherheit von Impfungen zu erhöhen, auch unabhängig von COVID-19-Vakzinen. Wissenschaftler der Universitäten München (LMU) und Greifswald haben Mechanismen der Thrombose und der VITT charakterisiert.
Design
- Charakterisierung von humoralen und zellulären Immunprozessen bei Impflingen, die eine VITT entwickelt hatten
- tierexperimentelle Untersuchungen der Reaktionen auf die COVID-19-Vakzine ChAdOx1 nCov‐19 nach verschiedenen Injektionsarten (i.v. und i.m.) bei Mäusen
- in-vitro-Experimente zur Frage direkter Wechselwirkungen zwischen ChAdOx1 nCov‐19 und Thrombozyten vom Menschen
Hauptergebnisse
- 36 % der Patienten mit einer Thrombozytopenie nach Impfung (ChAdOx1 nCov‐19) waren positiv für Anti-Thrombozyten-Antikörper.
- Bei all diesen Patienten waren es Autoantikörper gegen das Thrombozytenprotein PF4, bei einem Teil zusätzlich Antikörper gegen die drei Glykoproteinkomplexe GPIa/IIa, GPIIb/IIIa oder GPIb/IX.
- 7 von 26 Patienten waren „panreaktiv“ in Bezug auf die verschiedenen Glykoproteinantikörper.
- Bei den Kontrollpatienten ohne VITT (n = 52) fanden sich keine Autoantikörper gegen Blutplättchen.
- Die intravenöse, nicht aber die intramuskuläre Injektion triggerte die Thrombozytopenie und Autoantikörperbildung bei Mäusen.
- Die intravaskuläre Injektion des Impfstoffs führte zur Aktivierung und Aggregation der Plättchen.
- Die Aggregate wurden von Makrophagen phagozytiert und fanden sich in den Lymphknoten der Tiere wieder. Es folgten eine ausgeprägte B-Zell-Differenzierung und die Produktion von Plättchen-spezifischen Autoantikörpern, die ins Blut abgegeben wurden.
Klinische Bedeutung
Eine versehentliche Injektion von COVID-19-Vakzine in ein Blutgefäß kann Immunreaktionen gegen Blutplättchen und in der Folge Thrombosen fördern.
Die STIKO weist daraufhin, dass die „Impfung strikt intramuskulär (i. m.), bevorzugt in den M. deltoideus, und keinesfalls intradermal, subkutan oder intravaskulär zu verabreichen“ sei (2). Weiter heißt es: „Wenngleich akzidentelle intravaskuläre Injektionen bei einer i.m.-Impfstoffapplikation nur sehr selten auftreten, scheint bei COVID-19-Impfungen eine Aspiration bei i.m.-Applikation zur weiteren Erhöhung der Impfstoffsicherheit sinnvoll.“ Dabei wird vor der Injektion kurz angesaugt, um zu sehen, ob nicht versehentlich ein Blutgefäß getroffen wurde.
Bei PatientInnen unter Antikoagulation solle die Impfung ebenfalls i. m. mit einer sehr feinen Injektionskanüle und einer anschließenden festen Kompression der Einstichstelle über mindestens 2 Minuten erfolgen (2).
Seit dem 01.12.2021 ist Vaxzevria von AstraZeneca in Deutschland nicht mehr verfügbar. Für den ebenfalls vektorbasierten COVID-19-Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen Pharmaceuticals) empfiehlt die STIKO eine Anwendung bei Menschen ≥ 60 Jahre, „da in dieser Altersgruppe aufgrund der ansteigenden Letalität einer COVID-19-Erkrankung die Nutzen-Risiko-Abwägung eindeutig zu Gunsten der Impfung ausfällt.“
Finanzierung: Deutsche Herzstiftung, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
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