Study & Opinion: SARS-Seroprävalenz bei unter Dreijährigen und Kindern mit Migrationshintergrund am höchsten
- Dr. Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Die bislang größte Studie zur Häufigkeit von SARS-CoV-2-Antikörpern bei Kindern in Deutschland ergibt: Die Seroprävalenz ist altersabhängig, je jünger das Kind, desto höher die Seroprävalenzen. Bei Migrationshintergrund der Kinder sind SARS-CoV-2-Infektionen fast drei Mal häufiger als bei Kindern von Eltern, die in Deutschland geboren worden sind. Die Dunkelziffer in der gesamten Altersgruppe ist trotz Tests in Kitas und Schulen hoch.
Hintergrund
Kinder bleiben bei SARS-CoV-2-Infektion häufig symptomlos oder entwickeln nur sehr milde Krankheitszeichen. Die Frage, wie stark Kinder zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 beitragen, ist wichtig, um Präventionsstrategien auf nationaler Ebene eventuell anpassen zu können, aber auch im internationalen Vergleich, um die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen abschätzen zu können. Frühere Daten aus Deutschland hatte bereits belegt, dass es eine hohe Dunkelziffer der SARS-CoV-2-Infektionen auch bei Kindern in Deutschland gibt (1-3). Bislang aber gab es keine größeren Studien zur Altersabhängigkeit und zur Frage, ob der Migrationshintergrund von Bedeutung ist. Diese Lücke füllt eine große, sektorenübergreifende Erhebung zur Seroprävalenz an 14 Kinderkrankenhäusern in der Bundesrepublik (4).
Design
- Studientyp: sektorenübergreifende Seroprävalenzuntersuchung.
- Teilnehmer: 10.358 Kinder bis zum Alter von 17 Jahren, die zwischen Juni 2020 und Mai 2021 an einer von 14 großen Kinderkliniken behandelt wurden (Durchschnittsalter: 10,3 Jahre; 14,3 % < 3 Jahre).
- Intervention: Blutabnahme mit Bestimmung von Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern (IgG).
- Befragung der Eltern zu früheren SARS-CoV-2-Tests der Kinder und den Testergebnissen sowie anderen Aspekten wie Komorbiditäten der Kinder und Migrationshintergrund der Familie.
Hauptergebnisse
- Im Erhebungszeitraum stieg die Rate der Kinder mit nachweisbaren Antikörpern gegen SARS-CoV-2 von 2 % im Juni 2020 auf 10,8 % im Mai 2021.
- Der stärkste Anstieg wurde in der zweiten Welle der Pandemie ab Januar 2021 beobachtet.
- Die zeitliche Entwicklung der Infektionen variierte in verschiedenen Altersgruppen und in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund.
- In der Frühphase der Pandemie war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder < 3 Jahren seropositiv waren, dreieinhalb Mal höher als bei älteren Kindern (Faktor 3,6; 5,4 % vs. 1,7 %). Eine Erklärung dafür könnte ein engerer Kontakt von kleinen Kindern zu erwachsenen Virusträgern im Vergleich zu älteren Kindern sein.
- Im weiteren Verlauf wurden die Unterschiede zwischen den Altersgruppen geringer.
- Bei 40 % der Kinder (n = 4073) war in der Vergangenheit ein COVID-19-Test gemacht worden, aber nur bei 4,1 % war der Test positiv gewesen. Dies lässt auf eine hohe Dunkelziffer an Infektionen in dieser Altersgruppe schließen.
- Je jünger die Kinder waren, desto seltener wurden Infektionen erkannt.
- Im gesamten Beobachtungszeitraum wurden bei Kindern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund signifikant häufiger SARS-CoV-2-Antikörper nachgewiesen.
- Waren beide Eltern in Deutschland geboren, betrug die Prävalenz der Kinder 2,8 %, bei einem Elternteil mit Migrationshintergrund lag die Seroprävalenz bei 4,4 % und wenn beide Eltern nicht in Deutschland geboren worden waren, lag sie bei 7,8 %.
Klinische Bedeutung
Die 12-Monatsdaten aus der SARS-CoV-2-KIDS-Studie bestätigen frühere Studien mit teilweise kürzeren Laufzeiten: Ein großer Teil von Infektionen bei Kindern und Jugendlichen bleibt unerkannt, je jünger die Kinder, desto häufiger.
Erstmals wurde für Deutschland eine signifikante Assoziation zwischen Seroprävalenz und Migrationshintergrund belegt. Die Unterschiede könnten in den Mobilitätsmustern oder in der Haushaltsgröße liegen, aber auch Berufe der Eltern könnten von Bedeutung sein.
Nach Meinung der Autoren machen die aktuellen Daten auch deutlich, dass serologische Untersuchungen zur Abschätzung der Prävalenz und des Transmissionsrisikos in der Altersgruppe < 18 Jahren wichtig sind.
Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
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