Study & Opinion: Lebererkrankungen sollten als COVID-19-Langzeitfolgen in den Fokus kommen

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

„Es ist zu befürchten, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vermehrt Folgeerkrankungen von COVID-19 sehen werden, an der Leber und an den Nieren zum Beispiel", konstatiert Prof. Dr. med. Tobias B. Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Solche potenziellen Langzeitfolgen von COVID-19 gelte es im Blick zu haben, erläutert der Internist nach umfangreicher Analyse klinischer, histopathologischer und molekularbiologischer Daten von COVID-19-Kranken. Bei circa 60 Prozent der mehr als 1.200 Patientinnen und Patienten waren die Leberwerte erhöht.

Hintergrund
Schon vergleichsweise früh nach Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie fanden internationale Teams, dass das neuartige Corona-Virus kein reines Atemwegsvirus ist, sondern sich Virus-RNA außer in der Lunge auch in anderen Organen wie Herz und Niere findet. Zu diesen Arbeitsgruppen gehörten Internisten, Intensiv- und Rechtsmediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (1). Nun haben sie gemeinsam mit mehreren deutschen Hochschulkrankenhäusern und mit einer Universitätsklinik in den USA (Ann Arbor, Michigan) eine große Patientenkohorte untersucht (2). Darunter war eine Subgruppe von Patienten, die bei Klinikaufnahme SARS-CoV-2-negativ war und sich nosokomial infizierte. Diese Subgruppe eignete sich besonders für einen Vergleich „vorher-nachher“.

Design

  • Analyse klinischer, histopathologischer und molekularbiologischer Daten von stationären COVID-19-Patienten aus zwei Kohorten:
    • 99 COVID-19-Patienten des UKE Hamburg, davon 27 SARS-CoV-2-negativ bei stationärer Aufnahme
    • 1219 COVID-19-Patienten der Abteilung Innere Medizin an der University of Michigan in Ann Arbor
  • Sektionsbefunde von 45 an COVID-19 verstorbenen Patienten am UKE

Hauptergebnisse

  • Zwischen 57 und 63 % der COVID-19-Patienten hatten erhöhte Aspartat-Aminotransferase (AST)-Werte (Michigan/Hamburg-Kohorte) und bei 39 % bzw. 37 % waren die Werte der Alanin-Aminotransferase (ALT) erhöht (Michigan/Hamburg-Kohorte).
  • Nur wenige Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten eine Lebererkrankung in der Anamnese.
  • Bei 27 Patienten aus der UKE-Kohorte, die sich im Krankenhaus mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten, verdoppelte sich der Anteil mit pathologischen AST-Werten nach der COVID-19-Diagnose (33 vs. 59 %), und der Anteil mit erhöhten ALT-Werten verdreifachte sich (22 vs. 67 %).
  • Anomale Leberwerte waren mit einer erhöhten COVID-19-Mortalität assoziiert.
  • Bei zwei Dritteln (69 %) der autopsierten COVID-19-Patienten wurde SARS-CoV-2-RNA in der Leber nachgewiesen, zum Teil auch aktive Erreger.
  • Transkriptom- und Proteomanalysen ergaben molekularbiologische Signaturen, wie sie von Virus-Hepatitiden bekannt sind. Dies waren vor allem eine erhöhte Produktion von Interferon Gamma und eine Aktivierung des JAK-STAT-Signalwegs.

Klinische Bedeutung
SARS-CoV-2 kann direkt die Leber befallen und lässt sich zum Teil als aktives, vermehrungsfähiges Virus in dem Organ nachweisen. „Leberfunktionsstörungen sind häufig und sie sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert“, stellen die Autoren fest. Dies werfe die Frage auf, welche Bedeutung ein Befall der Leber für den Krankheitsverlauf habe. Mittel- und langfristig sei mit einer Zunahme der Lebererkrankungen durch COVID-19 zu rechnen.

Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bundesministerium für Gesundheit und andere.