Studie belegt Nutzen der Komplett-Genomsequenzierung zum Nachweis von Trinukleotid-Repeat-Erkrankungen
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Eine britische Studie mit sowohl retrospektiver als auch prospektiver Analyse der Daten von Neurologie-Patienten belegt die hohe Spezifität und Sensitivität von vollständigen Genomsequenzierungen bei der Diagnose seltener Repeat-Expansion-Erkrankungen.
Hintergrund
Mehrere seltene neurologische Erkrankungen gehen auf die Expansion kurzer Erbgutabschnitte mit definierter Reihenfolge (Tandem repeats) zurück, deren Pathogenität in der Regel mit der Länge zunimmt. Nur ein Bespiel ist Morbus Huntington. Insgesamt ist nach Angaben der Autoren etwa jedes 3000ste Individuum davon betroffen. Für viele dieser „Repeat Expansion Disorders“ gibt es spezifische Gentests. Die Vielfalt der möglichen krankheitsrelevanten Veränderungen führt jedoch dazu, dass besonders bei pädiatrischen Patienten mit atypischer klinischer Präsentation ohne familiäre Vorgeschichte die Diagnose gar nicht oder erst spät gestellt wird. Eine mögliche Alternative könnte die frühzeitige Sequenzierung des kompletten Genoms sein, deren Leistung als primärer Test hier evaluiert wurde.
Design
Beurteilung der diagnostischen Genauigkeit des „Whole-Genome-Sequencing“ zum Nachweis der häufigsten, mit neurologischen Veränderungen assoziierten Gen-Loci mit Repeat-Expansionen. Retrospektiv evaluiert wurden Proben, die in Einrichtungen des englischen National Health Service von Patienten mit Verdacht auf neurologische Erkrankungen gewonnen wurden. Als Referenz dienten die zuvor mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) gemachten, Gen-Locus-spezifischen Tests. Prospektiv evaluiert wurde die Komplettsequenzierung des Genoms bei Teilnehmern des britischen 100.000 Genomes Project, bei denen ein Verdacht auf eine neurologische Erkrankung bestand, und die zuvor bereits einen Gentest erhalten hatten, ohne dass jedoch eine Diagnose gestellt wurde. Hier wurde ein PCR-Test zur Bestätigung gemacht, wenn die Komplettsequenzierung eine Repeat Expansion aufgezeigt hatte.
Ergebnisse
- Retrospektive Analyse: Bei 404 Patienten waren 793 PCR-Tests gemacht worden. Die Komplettgenomsequenzierung klassifizierte 215 von 211 Repeat-Expansionen und 1316 von 1321 nicht expandierten Regionen korrekt. Dies entspricht einer Sensitivität von 97,3 % (95%-Konfidenzintervall 94,2 – 99,0) und einer Spezifität von 99,6 % (95%-KI 99,1 – 99,9).
- Prospektive Analyse: Das Whole Genome Sequencing wurde auf die Erbsubstanz von 11631 Patienten angewandt. Dabei fanden sich 81 Repeat-Expansionen. Mittels PCR wurden 68 dieser Erbgutabschnitte als Repeat-Expansionen im absoluten pathogenen Bereich bestätigt. 11 weitere gefundene Repeat-Expansionen waren im intermediären, (noch) nicht pathogenen Bereich, und 2 erwiesen sich als nicht expandierte Repeats, was einer Falscherkennungsrate von 16 % entspricht.
Klinische Bedeutung
Die hohe Sensitivität und Spezifität einer Komplettgenomsequenzierung zum Nachweis von Repeat Expansion-Erkrankungen erlaubt die Diagnose dieser Leiden bei zahlreichen, zuvor unerkannten Patienten. Nach Ansicht der Autoren spricht dies dafür, die Methode in klinischen Laboratorien für die Diagnose von Neurologie-Patienten zu etablieren, deren Präsentation auf eine Repeat Expansion-Erkrankung hinweist.
Finanzierung: Medical Research Council, Department of Health and Social Care, National Health Service England, National Institute for Health Research, und Illumina.
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