Spinale Muskelatrophie Typ 1: EU-Studie bestätigt verlängerte Überlebenszeiten dank Gentherapie

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Kinder mit einer spinalen Muskelatrophie Typ 1, die in den ersten 6 Monaten eine einmalige Infusion eines gentechnisch konstruierten Vektors erhalten, überleben deutlich länger als unbehandelte Kinder aus einer historischen Kohorte. Die Nebenwirkungen waren gering und 44 % der Kinder konnten mindestens 1 Mal selbstständig für 10 Sekunden sitzen, während es in der Vergleichsgruppe 0 % waren.

Hintergrund

Die spinale Muskelatrophie Typ 1 (SMA1) ist eine hereditäre Störung, die bereits in utero beginnt und zu einem Schwund der Skelettmuskulatur führt. Dies führte bis vor wenigen Jahren noch meist im ersten Lebensjahr zu tödlichem Atemversagen. Mit der Einführung spezifischer Therapien (Nusinersen und Risdiplam), die den zugrunde liegenden Funktionsverlust des Gen SMN1 (survival motor neuron 1) adressieren, haben sich die Überlebenszeiten verbessert und es wurden bislang unerreichte motorische Meilensteine der Entwicklung verwirklicht. Beide Behandlungen erfordern jedoch eine lebenslange Anwendung, wogegen es sich bei der hier erprobten Gentherapie mit Onasemnogene abeparvovec um eine einmalig verabreichte intravenöse Infusion handelt.

Design

Bei STR1VE-EU handelt es sich um eine multizentrische, einarmige Studie der Phase 3 mit breiteren Einschlusskriterien gegenüber den vorausgegangenen Studien 1 START und STR1VE-US. Eingeschlossen wurden 33 (32 auswertbar) von 41 gescreenten Patienten im Alter von maximal 180 Tagen (median 4,1 Monate) mit SMA1 und der häufigen biallelen Deletion von Exon 7 -8, oder Punktmutationen, und 1 oder 2 Kopien des Gens SMN2, welches ungenügende Mengen des SMN-Proteins bildet. Nach einer einmaligen Infusion mit 1,1 x 1014 Vektorgenomen/kg wurden die Patienten erst einmal wöchentlich ambulant untersucht, nach 4 Wochen dann 1-mal monatlich bis zum Ende der Studie oder frühem Abbruch.

Ergebnisse

  • Primäres Studienziel war die Fähigkeit, bei einer der Untersuchungen mindestens 10 Sekunden selbstständig zu sitzen, im Vergleich zu einer natürlichen Kohorte (PNCR) ohne Therapie. Diesen Endpunkt erreichten in der Studienpopulation 14 (44 %) der Kinder gegenüber 0 von 23 unbehandelten Patienten in der Vergleichsgruppe (p < 0,0001).
  • Unter der Gentherapie überlebten 31 der 32 Patienten (97 %) ohne permanente Beatmungspflicht. In der Vergleichspopulation waren es 6 von 23 (26 %) (p < 0,0001).
  • Mit einer Ausnahme erlitten alle Patienten in der Studienpopulation Nebenwirkungen, bei 6 (18 %) wurden diese als ernsthaft und mit der Therapie zusammenhängend eingestuft. Am häufigsten waren Pyrexie (67 %), Infektionen der oberen Atemwege (33 %) und erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte (27 %).

Klinische Bedeutung

Die aktuelle Studie ist die 3. und bislang größte zur Wirksamkeit einer Gentherapie bei SMA1. Zusammen mit den vorherigen Studien überlebten 67 von 70 Patienten die ca. 19 Monate Studiendauer, jedoch erreichte in STR1VE-EU ein kleinerer Teil (44 %) das Ziel, mindestens 10 Sekunden unabhängig zu sitzen. “Das Ergebnis ist noch immer suboptimal und könnte für die Eltern enttäuschend sein“, schreibt Ludo van der Pol (Utrecht) in einem Kommentar. Nun gehe es darum, mehr Zeit für die betroffenen Kinder zu erreichen, was womöglich durch Screening-Programme und eine weitere Vorverlegung des Therapiebeginns gelingen könne.

Finanzierung: Novartis Gene Therapies.