Sind leistungsstarke Ladegeräte für Elektrofahrzeuge sicher für Patienten mit Schrittmacher oder Defi?

  • Dr. Daniel M. Keller
  • Medizinische Nachrichten
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Hochleistungsladegeräte für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (EVs) scheinen einer neuen Studie zufolge für Patienten mit implantierbaren elektronischen Herzgeräten (CIEDs) sicher zu sein.

Gleichstrom-Ladegeräte mit hoher Leistung verkürzen die Ladezeit im Vergleich zu herkömmlichen Wechselstrom-Ladegeräten. CIEDs können anfällig für elektromagnetische Interferenzen (EMI) sein, die zu einer Hemmung der Schrittmacherfunktion, einem Modus-Switch, einer unangemessenen Erkennung von Tachykardie oder Therapie oder einer spontanen Umprogrammierung des Geräts führen können.

"Elektrofahrzeuge und die Ladestationen sind potenzielle Quellen solcher EMI", sagte der Hauptautor Dr. Carsten Lennerz vom Deutschen Herzzentrum in München während einer moderierten Postersitzung bei einem Kongres der "European Heart Rhythm Association" in Barcelona. Die Ergebnisse wurden zudem im Fachmagazin EP Europace veröffentlicht. Laut Lennerz sind die elektromagnetischen Felder in der Kabine eines Elektrofahrzeugs gering, in der Größenordnung von 2,1 bis 3,6 Mikrotesla (μT) für Kabel mit moderatem Strom (32A) und Leistung (22kW). Neue Hochleistungs-Schnellladegeräte mit 400 A Stromstärke und einer Leistung von 350 kW können allerdings potenziell klinisch relevante elektromagnetische Störungen für CIEDs verursachen.

In Ihrer Untersuchung sahen Lennerz und seine Mitarbeiter jedoch keine Hinweise auf ein Risiko für elektromagnetische Interferenzen bei Patienten, bei denen eine Vielzahl von Geräten implantiert waren. "Wir sind der Meinung, dass die Verwendung dieser Geräte nicht speziell eingeschränkt werden sollte, empfehlen aber eine angemessene Vorsicht, indem die Zeit, die in der Nähe der Ladekabel verbracht wird, minimiert werden sollte", riet Lennerz.

CIEDs und Pkw-Ladegeräte

Um zu prüfen, ob Hochleistungsladegeräte für Menschen mit CIEDs sicher sind, nahmen Lennerz und seine Kollegen 130 Patienten (79 % Männer) mit Herzschrittmachern, implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs), subkutanen ICDs und Geräten zur kardialen Resynchronisationstherapie in die Studie auf. Die Patienten hatten insgesamt 53 Gerätemodelle von sechs Herstellern. Ausgeschlossen wurden Patienten mit kabellosen Herzschrittmachern, Fehlfunktionen der Elektroden, Batterien mit einer verbleibenden Lebensdauer von weniger als 3 Monaten oder einer intrinsischen Herzfrequenz von mehr als 120 Schlägen/min.

Die Geräte wurden auf permanente ventrikuläre Stimulation programmiert, um die EMI-Erkennung zu maximieren. Die ICD-Therapien waren deaktiviert, nur die Tachykardieerkennung war gegebenenfalls aktiviert.

Die Patienten waren im Schnitt 59 Jahre alt und hatten Indikationen für eine Anti-Bradykardie-Therapie (35 %) oder eine Anti-Tachykardie-Therapie (65 %). Sie führten 561 Ladevorgänge mit sechs gängigen Modellen von Hochleistungsladegeräten durch, die 300 bis 350 kW liefern können, um vier repräsentative E-Fahrzeuge zu laden, die diese Ladegeräte nutzen können, und ein zusätzliches Fahrzeug, das die volle Leistung von 350 kW nutzen kann.

Die Forscher führten an verschiedenen Stellen des Ladegeräts Messungen des magnetischen und elektrischen Feldes durch. Die maximale magnetische Feldstärke am oberen Teil der Ladestation betrug 77,9μT und entlang des Kabels und am Stecker 38,7μT. Der Stecker ist der Teil, an dem der Benutzer mit dem Gerät in Kontakt kommt, wenn er das Kabel an das Elektrofahrzeug anschließt.

Die Patienten wurden gebeten, die Elektrofahrzeuge aufzuladen und sich dabei so zu positionieren, dass sich die Ladekabel über ihren CIEDs befanden, um ein Worst-Case-Szenario für das Auftreten von EMI zu simulieren. Sie wurden mit 6-Kanal-Elektrokardiogrammen überwacht, um eine Hemmung der Schrittmacherfunktion oder einen Moduswechsel zu erkennen. Nach dem Aufladen der Fahrzeuge wurden die CIEDs der Patienten auf spontane Neuprogrammierung und Tachykardie abgefragt.

„Solide Ergebnisse“

Die CIEDs haben keine EMI-Episoden festgestellt, insbesondere keine Hemmung der Stimulation von Herzschrittmachern oder unangemessene Erkennung von schnellen Arrhythmien durch Defibrillatoren, die zu einer Schocktherapie führen könnten.

Bei den 130 Patienten lag das Risiko einer EMI demnach bei 0/130 (95 % KI 0 % - 2 %), und pro Ladevorgang betrug das Risiko 0/561 (95 % KI 0 % - 0,6 %). Die Nutzung von Hochleistungs-EV-Ladestationen durch solche Patienten mit CIEDs erschien daher sicher.

Die Autoren wiesen in ihrem Artikel darauf hin, dass die Hochleistungsladegeräte mit Gleichstrom arbeiten, während herkömmliche Haushaltsladegeräte mit Wechselstrom betrieben werden, der je nach Land ein Magnetfeld von 50 Hz oder 60 Hz erzeugt. Dieses Feld kann harmonische elektrische Signale in Drähten und elektrischen Geräten hervorrufen. Ihre frühere Arbeit zeigte, dass "die Verwendung herkömmlicher AC-Ladegeräte nicht zu klinischen EMI führte".

Sie stellen außerdem fest, dass sie angesichts der großen Vielfalt an CIED-Modellen in der Studie und der geringen Anzahl der einzelnen Modelle "sehr seltene EMI-Ereignisse oder ein hohes EMI-Risiko für ein bestimmtes Gerät nicht ausschließen" konnten. Sie empfahlen, dass neue Batterie- und Ladetechnologien, sobald sie zum Einsatz kommen, im Hinblick auf die Sicherheit von Patienten mit CIEDs bewertet werden sollten.

Der Co-Moderator der Sitzung, Dr. Jens Cosedis Nielsen, Co-Direktor der Abteilung für Kardiologie am Universitätskrankenhaus Aarhus in Dänemark, erklärte, dass „die Studie systematisch und ordnungsgemäß durchgeführt wurde und eine große Anzahl von Patienten und Ladegeräten umfasste" und die Patienten eine Vielzahl von CIEDs hatten. "Für aktuelle CIEDs und untersuchte Fahrzeugtypen sind diese Ergebnisse gültig und solide. Ob die Daten für sehr alte CIED-Typen gültig sind, ist nicht bekannt", sagte er. "Kabellose Herzschrittmacher wurden in dieser Studie nicht untersucht."

Cosedis Nielsen sagte zudem, er glaube, dass es nicht für jeden Hersteller von Ladegeräten machbar sei, seine Geräte auf jede Art von CIED zu testen, "daher ziehen sie es vor, eine Warnung in ihre Handbücher aufzunehmen". Obwohl CIEDs auf EMI getestet werden, gab er sich nicht sicher, ob und in welchem Umfang die Hersteller diese Informationen offenlegen. In seiner Klinik, so Nielsen, habe er keine Probleme mit Interferenzen zwischen CIEDs und Hochleistungs-Ladegeräten für Elektroautos gesehen; er sei deshalb zuversichtlich, dass dies kein signifikantes Problem sei und daher einen Patienten mit einem CIED nicht vom Kauf eines Elektroautos abhalten würde. Dennoch wiederholte er den Rat von Lennerz, dass Patienten ihre Zeit in der Nähe der Ladekabel minimieren sollten.

Die Deutsche Stiftung für Herzforschung hat die Studie unterstützt. Das IONITY-Hochleistungsladenetz stellte die Testfahrzeuge und die Nutzung der Ladeinfrastruktur am Teststandort zur Verfügung. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung führte die Messungen der elektromagnetischen Felder durch.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.