KI erweitert Krebsversorgung in Europa
- Drishti Agarwal
- Konferenzberichte
Etwa 25 % der jährlichen Krebsfälle weltweit treten in Europa auf, und laut der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission wird die Hälfte aller Europäer zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben an Krebs erkranken. Künstliche Intelligenz (KI) und Big-Data-Analysen könnten bei der Verbesserung dieser Zahlen eine Rolle spielen. Wissenschaftler und Entscheidungsträger diskutierten die Rolle von KI in der Krebsforschung während einer eintägigen Veranstaltung am 1. Februar unter dem Titel „Equity, excellence and innovation – modern cancer care for all“ (auf Deutsch so viel wie „Gerechtigkeit, Exzellenz und Innovationen – moderne Krebsversorgung für alle“), die von der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission gemeinsam organisiert wurde.
Die im Januar 2023 gestartete EU-Initiative zu bildgebenden Verfahren bei Krebs, eines der Vorzeigeprojekte des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung, zielt darauf ab, das Beste aus digitalen Technologien wie KI und Hochleistungsrechnern herauszuholen, um Ressourcen und Datenbanken in der gesamten EU freizuschalten und mit einer Infrastruktur für Krebsbilder zu verknüpfen, die für Ärzte, Forscher und Innovatoren leicht zugänglich ist. Im Rahmen der Initiative wird die vollständige Einhaltung der EU-Werte und -Regeln in Bezug auf Ethik, Vertrauen und Sicherheit sichergestellt. Dies würde nicht nur eine schnellere und präzisere klinische Entscheidungsfindung, Diagnostik und Behandlung ermöglichen, sondern auch die Entwicklung innovativer Instrumente für personalisierte Medizin fördern, wie Marco Marsella, Leiter des Referats eHealth, Well-being and Ageing der Europäischen Kommission, sagt: „In den nächsten drei bis vier Jahren werden wir mit dieser Initiative erfolgreich sein und zu den sehr dringend benötigten Leistungen des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung beitragen.“
Im März 2021 veröffentlichte „JAMA Open Network“ eine Studie zu einer neuartigen, durch KI unterstützten patientennahen Diagnoseplattform mit digitaler Mikroskopie, die von Forschern aus Schweden, Finnland und Kenia eingerichtet wurde, um das Zervixkarzinom-Screening in einer ländlichen Klinik in Kenia zu erleichtern, wo die Verfügbarkeit von Pathologen begrenzt ist. Für die Plattform wurden Abstriche für Papanicolaou-Tests auf Objektträgern mit einem tragbaren Mikroskopscanner digitalisiert, die digitalisierten Objektträger mithilfe eines cloudbasierten Deep-Learning-Systems analysiert und hochwertige Bilder für verschiedene Diagnosen erstellt, was ortsferne Konsultationen in der Klinik ermöglichte. Die Plattform erkannte auffällige Zervixabstriche mit hoher Empfindlichkeit. Die Technologie „kann gleichermaßen in ressourcenarmen Umgebungen in Europa eingesetzt werden“, sagt eine der Autorinnen der Studie, Nina Linder vom Institut für Molekularmedizin der Universität Helsinki in Finnland. Sie ist der Meinung, dass KI auf ihrer derzeitigen Entwicklungsstufe zwar nicht in der Lage ist, die komplexesten Fälle zu lösen oder Daten in bahnbrechende medizinische Erkenntnisse umzuwandeln, aber mit ihr können Routineaufgaben automatisiert und Muster erkannt werden, um datengesteuerte Ergebnisprognosen zu stellen.
In einer tiefergehenden Analyse dazu, wie KI die Krebsforschung beschleunigen könnte, beschrieben Wissenschaftler ein ehrgeiziges Ziel zur Integration von Einzelzell-Multiomics, High-Content-Bildern und personalisierten Krankheitsmodellen mit KI und maschinellem Lernen. KI würde eingesetzt, um große, mehrdimensionale Datensätze zu generieren und zu analysieren, die Informationen über die Entscheidungsprozesse von Zellen liefern, um zelluläre und molekulare Mechanismen der Entstehung und des Fortschreitens von Krebserkrankungen aufzudecken.
Nikolaus Rajewsky vom deutschen Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin erklärt, dass maschinelles Lernen zur Nutzung von Daten aus Krankenhäusern, Biobanken, Kohorten und Hämatoxylin-Eosin-Färbungen eingesetzt werden kann. Er hält es überdies für wichtig, die bestehenden und entstehenden europäischen Krebszentren miteinander zu vernetzen, um Daten auszutauschen, Qualitätskontrollen festzulegen und die genetische Vielfalt einzubeziehen. „In Europa gibt es viel mehr genetische Vielfalt, als uns vielleicht bewusst ist“, sagt er. „Ein gutes Beispiel ist Portugal, wo eine genetische Vielfalt besteht, die sich sehr stark von der in Skandinavien, Deutschland, Frankreich oder Italien unterscheidet.“ Er fügte hinzu, dass die Berücksichtigung dieser Vielfalt unerlässlich sei, um „Daten auf wahrhaft menschliche Weise zu analysieren“.
Trotz der zahlreichen Vorteile von KI in der Krebsversorgung müssen einige Herausforderungen und Bedenken angegangen werden, vor allem das Fehlen strukturierter krebsbezogener Gesundheitsdaten. Die Antwort der EU darauf ist der europäische Raum für Gesundheitsdaten (EHDS), eine Gesetzesvorlage zur Bereitstellung eines stärker digitalisierten und besser vernetzten gesundheitsspezifischen Ökosystems zwischen den Mitgliedsstaaten, das kohärent, vertrauenswürdig und sicher ist. Ein weiteres wesentliches Problem ist das Risiko, dass mit KI bestehende gesundheitliche Ungleichheiten und Missverhältnisse aufrechterhalten und verstärkt werden. Wenn beispielsweise KI-Tools und Algorithmen nicht in verschiedenen Bevölkerungsgruppen entwickelt und getestet werden, sind sie in bestimmten Untergruppen möglicherweise nicht wirksam oder genau. Es sollten die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation zu Ethik und Governance von KI für die Gesundheit befolgt werden, um das Einverständnis der Patienten sowie Transparenz und Datenschutz aufrechtzuerhalten.
Der Weg mag noch lang und holprig sein, aber wenn diese Initiativen einmal realisiert werden, könnte die EU in Bezug auf KI und maschinelles Lernen in der Krebsversorgung die Führungsposition einnehmen.
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