Schmerzen hinter dem Malleolus medialis und rezidivierende Gelenkblockaden
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Ein „schnellender Finger“ (Digitus saltans) ist eine vor allem Orthopäden und Handchirurgen vertraute Erkrankung. Weniger „berühmt“ ist die „schnellende Großzehe“ (Hallux saltans). Sie werde daher oft übersehen, berichten Dr. med. Melanie Schindler und ihre Kollegen von der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach. Anlass ist die Krankengeschichte eines 51-jährigen Mannes.
Der Patient und seine Geschichte
Der Patient erlitt nach Angaben der Autoren im August 2019 ein Supinationstrauma. Bei Verdacht auf Außenbandverletzung des Sprunggelenks sei er von einem niedergelassenen Orthopäden mit einer Aircast-Sprunggelenksschiene versorgt worden. Für eine Zweitmeinung sei er im Dezember 2019 mit anhaltenden Schmerzen posterior des Malleolus medialis und rezidivierenden, spontan einsetzenden Gelenkblockaden in die Klinik in Bad Abbach gekommen.
Diagnostisch hilfreich sei der Hinweis an den Patienten gewesen, bei der nächsten Gelenkblockade den Großzeh maximal zu flektieren und zu extendieren. Bei der Wiedervorstellung eine Woche später habe der Patient dann berichtet, dass die Bewegung der Großzehe das Einklemmungsphänomen mit einem schmerzhaften Schnappen gut behebe.
Befunde und Diagnose
- Patient mit „rechtsbetontem Schonhinken“, keine Fußdeformitäten
- Palpatorische Untersuchung des oberen und unteren Sprunggelenks unauffällig; Ausnahme: ein Druckschmerz über der medialen Talusschulter sowie im Bereich der Tibialis-posterior-Loge über dem Musculus flexor hallucis longus
- Schmerzverstärkung retromalleolär bei Durchbewegung der Großzehe
- Röntgen-Aufnahmen des rechten Sprunggelenkes: unauffällig
- MRT-Diagnostik: narbig verheilte Außenbandruptur des Ligamentum fibulotalare anterius und deutlicher Erguss im Verlauf der FHL-Sehne; diskretes Kontrastmittel-Enhancement entlang der erguss-enthaltenden Strukturen.
- Arthrosonografie des rechten Sprunggelenks: minimaler Erguss im oberen Sprunggelenk
- Die FHL-Sehne konnte Schindler und ihren Kollegen zufolge ohne Hinweise auf Verdickung oder Tenosynovitis dargestellt und durchbewegt werden. Das Schnappphänomen habe sich nicht provozieren lassen; ein Einklemmungs-Phänomen habe somit nicht nachgewiesen werden können.
- Diagnostische sonographie-gesteuerte Infiltration der FHL-Sehne peritendinös retromalleolär mit 8 mg Dexamethason und 1 % Mepivacain: Nach der Infiltration habe der Patient Beschwerdefreiheit für zwei Tage angegeben. Am drei Tag seien die Schmerzen erneut aufgetreten.
Therapie und Verlauf
Ausgehend von der Diagnose „Hallux saltans“ wurde die Flexor-hallucis-longus-Sehne arthoroskopisch freigelegt; dies führte den Autoren zufolge zu Symptomfreiheit, so dass der Patient zwei Tage nach der Operation nach Hause entlassen werden konnte. Auch bei der ambulanten Wiedervorstellung 2 und 6 Wochen postoperativ sei der Mann beschwerdefrei gewesen.
Diskussion
Beim Hallux saltans handelt es sich laut Schindler und ihren Kollegen um die Einengung der Flexor-hallucis-longus-Sehne (FHL) innerhalb des osteofibrösen Kanals retromalleolär. Aktive Flexion und Extension führten dabei im passiv frei beweglichen Großzehengrundgelenk zu einem plötzlichen „Schnappen“ der Großzehe oder schmerzhaftem Reiben hinter dem Innenknöchel.
Der Hallux saltans sei erstmalig 1940 beschrieben worden. Trotzdem gebe es in der wissenschaftlichen Literatur nur vereinzelte Fallberichte mit gehäuftem Auftreten bei Balletttänzern und Läufern. Als möglicher Auslöser der Irritation, Entzündung und Hypertrophie der FHL-Sehne würden exzessive, sich häufig wiederholende Bewegungsabläufe angenommen. Anatomische Varianten wie Os trigonum, Stieda-Prozessus, Flexor digitorum accessorius longus und FHL accessorius könnten eine FHL-Dysfunktion begünstigen. Bei dem 51-jährigen Mann kam es vermutlich nach dem Supinationstrauma zu einer Vernarbung am Ringband mit der Folge einer Stenosierung der FHL-Sehne.
Bei einem „schnappenden“ Fingers sei die Kortikosteroid-Infiltration eine effektive Therapie. Hilfreich sei bei dem 51-Jährigen die präoperative diagnostische Testinfiltration der Sehnenscheide mit kompletter Beschwerdefreiheit gewesen. In der deutschsprachigen Literatur finden sich nach Angaben der Orthopädin und ihren Mitautoren kaum Berichte über einen Hallux saltans. Obwohl es eine seltene Erkrankung sei, sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte diese Diagnose im Hinterkopf zu behalten, rät Schindler.
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