Schluckstörungen bei Parkinson-Syndromen: Wie behandeln?
- Dr. med.Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Viele Parkinson-Patienten entwickeln mit der Zeit durch ihre neurodegenerative Erkrankung verursachte Schluckstörungen. Eine mögliche Folge der Dysphagie kann eine lebensbedrohliche Aspirationspneumonie sein. Privatdozentin Dr. med. habil. Inga Claus (Universitätsklinikum Münster, ParkinsonZentrum Münster/Osnabrück) und Professor Dr. med. Tobias Warnecke (Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation
Klinikum Osnabrück, ParkinsonZentrum Münster/Osnabrück) erläutern in einer aktuellen Publikation, wie diese Dysphagie-Patienten behandelt werden können.
Schluckstörungen (Dysphagien) sind ein häufiges und oftmals unterschätztes Problem bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Es handelt sich nicht nur um ein Symptom, sondern ein multiätiologisches Syndrom. Ein paar Zahlen unterstreichen die klinische Bedeutung der Dysphagie bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen. So leiden laut DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) 20 bis 30 Prozent der Demenz-Kranken an Schluckstörungen sowie initial ungefähr 50 Prozent aller Patienten mit Schlaganfall. Bei Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen sind es etwa 60 Prozent, nach prolongierter maschineller Beatmung sind sogar 70–80 Prozent betroffen (allerdings meist passager). Auch bei Parkinson-Syndromen und der Multiplen Sklerose ist das Symptom relativ häufig. Besonders auffällig ist die Inzidenz von Dysphagie-Symptomen bei 30–40% aller älteren Menschen, die noch ein unabhängiges Leben führen, sowie bei mehr als 50% der Pflegeheimbewohner und ca. 70% aller geriatrischen Patienten in Kliniken.
Aktivierende Therapien
Eine zentrale Stellung in der Behandlung von Parkinson-bedingten Schluckstörungen hat laut Inga Claus und Tobias Warnecke die logopädische Therapie. Hierbei würden restituierende Verfahren (etwa sensorische Stimulation), kompensatorische Verfahren (z.B. kräftiges Schlucken) oder eine Kostanpassung (etwas durch Andicken von Flüssigkeiten) eingesetzt.
Seit einigen Jahren würden weitere innovative Therapien entwickelt, erklären die Autoren weiter. Die beste Datenlage bestehe aktuell für ein vierwöchiges intensives Ausatemtraining (Expiratory muscle strength training;. Bei Patienten mit einer leicht- bis mittelgradigen Dysphagie könnte Studien zufolge ein entsprechendes Training mit diesem speziellen Ausatemtrainer (EMST150 Aspire Products) die Schlucksicherheit und auch die Schluckeffizienz signifikant verbessern. Das Training dauere vier Wochen und finde im häuslichen Umfeld statt; der tägliche Zeitaufwand betrage zirka 10 bis 15 Minuten. Mittlerweile sei das Trainingsgerät auch mit zwei unterschiedlichen Intensitätsstufen verfügbar, sodass auch schwerer Betroffene, zum Beispiel mit atypischen Parkinson-Syndromen, damit trainieren könnten.
Vor Beginn von logopädischen Übungen sollte nach weiteren Angaben der Neurologen zunächst geprüft werden, ob die medikamentöse Parkinson-Therapie optimiert werden müsse, da die pharyngeale Bradykinese bei manchen Patienten auch Folge einer insuffizienten dopaminergen Medikation sein könne. Hilfreich sei „in diesem Fall eine endoskopische Schluckuntersuchung mit Beurteilung der Dysphagie sowohl im OFF- als auch im ON-Zustand, um den potenziellen Nutzen einer Modifikation der dopaminergen Medikation sicher beurteilen zu können“, schreiben Claus und Warnecke. Anhand eines spezifischen Punktescores (0–108) könne eine potenzielle Änderung der Schluckfunktion im Vergleich der beiden Untersuchungen erfolgen. Eine Verbesserung von > 30 % werde als signifikant angesehen.
Auch bei atypischen Parkinson-Syndromen könne ein Optimierungsversuch der dopaminergen Medikation hilfreich sein, obwohl die positiven Auswirkungen ähnlich wie bei der Motorik in der Regel geringer seien als beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Allerdings habe die Optimierung der dopaminergen Medikation hier vor allem einen positiven Einfluss auf pharyngeale Residuen, die bei atypischen Parkinson-Syndromen häufig vorherrschenden Störungen der oralen Phase des Schluckaktes beeinflusse sie im Allgemeinen weniger aus- geprägt.
Weitere potenzielle Therapien sind nach Angaben der Autoren die Substanz P, die mit der pharyngealen Mukosa interagiere und als Neurotransmitter einen positiven Einfluss auf die Triggerung von Schluck- und Hustenreflex ausübe. Pilotstudien hätten auch einen positiven Effekt von Capsaicin auf die Konzentration von Substanz P sowie oropharyngeale Schluckstörungen bei geriatrischen Erkrankten, darunter auch Parkinson-Kranke, gezeigt.
Bei persistierenden Penetrations- oder Aspirati- onsereignissen für einzelne oder mehrere Konsistenzen kann abhängig vom erhobenen Untersuchungsbefund eine Kostanpassung der oralen Ernährung notwendig werden.
Bei Persistenz der Schluckstörung trotz optimierter Therapie sollte, insbesondere auch bei atypischen Parkinson-Syndromen, frühzeitig mit den Erkrankten und Angehörigen die Möglichkeit einer PEG-Anlage zur Sicherstellung von Nahrungs-, Flüssigkeits- und Medikamentenzufuhr besprochen werden.
Vermehrter Speichelfluss
Viele Patienten mit Parkinson-Syndromen leiden im Krankheitsverlauf zusätzlich an einer chronischen Sialorrhoe; in der Regel sei die Ursache dafür nicht eine vermehrte Speichelproduktion, sondern eine bedingt durch die pharyngeale Bradykinese reduzierte Schluckfrequenz, erklären die Neurologen. Medikamentöse Therapieversuche der chronischen Sialorrhoe seien häufig unzureichend und hätten zudem Nebenwirkungen. Das Kauen von Kaugummi oder das Lutschen von Salbeibonbons führe dagegen zu einer zumindest passagaren Reduktion des Speichelflusses. Sinnvoll könne auch ein Training mit einem „Schluckwecker“ sein: Hierbei trainieren Betroffene 2×15 Minuten pro Tag das Schlucken in einer Frequenz von einmal pro Minute, indem sie von dem Schluckwecker einmal pro Minute an das Schlucken erinnert würden. Auch hier führe ein regelmäßiges Training insgesamt zu einer Reduktion des Speichelflusses.
Ein weiterer Erfolg versprechender Therapieansatz sei die Injektion von Botulinumtoxin in die Glandula parotis und/oder die Glandula submandibularis. Diese Therapie werde langjährig schon effektiv angewendet, im Jahr 2019 sei eine Zulassung in Deutschland für die Indikation „chronische Sialorrhoe“ für das Präparat „IncobotulinumtoxinA“, erteilt worden, sod ass die Kosten für die Behandlung von allen Krankenkassen regelhaft übernommen werden müssten.
Ausführliche Empfehlungen zur Versorgung von Patienten mit Schluckstörungen enthält die 2020 veröffentlichte Leitlinie zur neurogenen Dysphagie.
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