Schichtwechsel bei der Operation: Übergabe der Anästhesie ohne erhöhte Risiken für Patienten

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Bei längeren Operationen erwachsener Patienten ist ein Wechsel des oder der verantwortlichen Anästhesisten während des Eingriffs nicht mit erhöhten Risiken für die Patienten assoziiert. Das ist das Ergebnis einer größeren, prospektiv randomisierten Studie an 12 deutschen Kliniken. Marker für die Risiken waren die 30-Tages-Mortalität, die stationäre Wiederaufnahme in diesem Zeitraum oder schwere postoperative Komplikationen.

Hintergrund

Personelle Wechsel von Anästhesisten während des chirurgischen Eingriffs werden tendenziell häufiger: Es gibt mehr komplexe Eingriffe mit längeren Operationszeiten, aber auch der Arbeitsschutz kommt zunehmend in den Fokus des Managements. Ob ein Wechsel der Anästhesisten während der Operation den Patienten gefährdet, wird intensiv untersucht. In einer aktuellen Metaanalyse von 14 Studien mit insgesamt fast 140000 Eingriffen, bei denen ein intraoperativer Wechsel der Anästhesisten stattfand, ergab die Hälfte der Studien Nachteile für die Patienten, wenn die Anästhesie intraoperativ an Kollegen übergeben wurde (1). Aus methodischen Gründen war in der Metaanalyse keine klare Aussage möglich. In einer prospektiv randomisierten Studie an 12 deutschen Krankenhäusern, darunter viele Unikliniken, ist die Frage erneut untersucht worden (2).

Design

  • Studienteilnehmer: Erwachsene, bei denen eine Operation mit mindestens 2 Stunden Dauer geplant war.
  • Einschlusskriterien: ASA-Score 3 (schwere Allgemeinerkrankung) oder 4 (lebensbedrohliche Erkrankung).
  • Art der Eingriffe: breites Spektrum an neurologischen, orthopädischen, gynäkologischen, thorakalen, vaskulären und urologischen Operationen inklusive plastischer Chirurgie und Traumaversorgung.
  • Studiensetting: Randomisierung 1 : 1 in eine Patientengruppe, bei der eine Übergabe zwischen der Anästhesie geplant war, und in eine 2. Gruppe ohne geplanten Wechsel der Anästhesisten; die Anästhesisten (Fachärzte) wussten nicht, ob eine Übergabe an Kolleginnen oder Kollegen im Rahmen der Studie stattfand oder außerhalb der Studie.
  • Zusammengesetzter primärer Endpunkt: 30-Tages-Mortalität jeglicher Ursache, stationäre Wiederaufnahme binnen 30 Tagen und schwere postoperative Komplikationen wie größere Blutungen mit Transfusionsbedarf, Pneumonie, Vorhofflimmern oder Riss des Wundverschlusses innerhalb von 30 Tagen.

Hauptergebnisse

  • 1772 Patienten im Durchschnittsalter von 66 Jahren und einem durchschnittlichen Body Mass Index von 27 kg/m2 nahmen teil, zu 56 % männlich. 97 % hatten einen ASA-Score von 3.
  • Die durchschnittliche Operationsdauer betrug 4,5 Stunden.
  • Die Kriterien des primären Endpunkts erfüllten 30,1 % in der Hand-over-Gruppe und 32,5 % in der Gruppe ohne Personalwechsel (Odds Ratio: 0,89; p = 0,27; n.s.).
  • 2,1 % in der Hand-over-Gruppe starben binnen 30 Tagen und 3,4 % in der Nicht-Hand-over-Gruppe.
  • 13 % und 16 % (Hand-over-Gruppe/Nicht-Hand-over-Gruppe) mussten erneut binnen 30 Tagen stationär behandelt werden und jeweils 22 % hatten schwere postoperative Komplikationen.

Klinische Bedeutung
Die Studie belegt nach Angaben der Autoren, dass ein Personalwechsel der Anästhesisten während der Operation nicht generell mit einem erhöhten Risiko für die Patienten im Sinne der Studienendpunkte assoziiert ist.

Für das Forscherteam, aber auch für die Kommentatoren (3) sind damit dennoch nicht alle Fragen geklärt. Es habe kein standardisiertes Übergabeprotokoll gegeben, so dass offen bleibe, welche Modalitäten besonders vorteilhaft seien. Die Operationen erfolgten an Werktagen außerhalb der Nachtdienste, so dass der Stress des Notfalleingriffs oder einer längeren Arbeitszeit nicht bestand.

Außerdem blieb die Erfahrung des übrigen Operationsteams unberücksichtigt, so dass die Bedeutung der Arbeit der Kollegen für den postoperativen Verlauf nicht herausgearbeitet werden konnte.

Finanzierung: Else-Kröner-Fresenius Stiftung.