SARS-CoV-2: Metformin für zwei Wochen nach Infektionsbeginn schützt vor Post-COVID

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Das Diabetesmedikament Metformin beugt der Entwicklung eines Post-COVID-Syndroms vor, wenn es innerhalb weniger Tage nach Beginn einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion für zwei Wochen eingenommen wird (Lancet Infect Dis 2023). Da Metformin eines der am längsten und häufigsten verschriebenen oralen Antidiabetika ist und zugleich kostengünstig, könnte es helfen, die Krankheitslast durch das Post-COVID-Syndrom zu senken. Die Prävalenz wird auf 10–15 % nach SARS-CoV-2-Infektion geschätzt, auch für Deutschland.

Hintergrund 

Circa jeder 7. bis 10. Patient entwickelt nach einer SARS-CoV-2-Infektion ein Post-COVID-Syndrom (PCS; [1]). Diese in internationalen Studien ermittelte Prävalenz gilt vermutlich auch für Deutschland (2). Die Diagnose „Post-COVID-Syndrom“ wird den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge gestellt bei SARS-CoV-2-assoziierten Symptomen, die später als 3 Monate nach Infektion noch anhalten oder wiederkehren und den Alltag beeinträchtigen (ICD-10 U09.9). Am häufigsten sind dies Fatigue, Belastungsintoleranz, Dyspnoe, Schlafstörungen, Schmerzen, kognitive Dysfunktion, Anosmie und Dysgeusie (zit. n. [3]). Die Krankheitslast durch PCS ist hoch, auch in Deutschland. Allein bis Mitte Mai 2023 wurden hierzulande mehr als 38,4 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen registriert, die tatsächliche Zahl wird deutlich höher geschätzt. International wird nach Möglichkeiten gesucht, das Risiko für ein Post-COVID-Syndrom zu senken. In einer US-amerikanischen Studie sind mehrere Arzneimittel und ihre Kombinationen auf potenzielle prophylaktische Effekte untersucht worden (4).

Design

  • Studienform: multizentrische, randomisiert, vierfachblinde Parallelgruppen-Phase-3-Studie

  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Erwachsene im Alter zwischen 30 und 85 Jahren mit Übergewicht (Body Mass Index [BMI] ≥ 25 kg/m2) oder Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2), mit PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und mit COVID-Symptomen seit weniger als 1 Woche

  • Randomisierung: nach dem Schema 2 × 3 in 6 Gruppen: Metformin plus Ivermectin, Metformin plus Fluvoxamin, Metformin plus Placebo, Ivermectin plus Placebo, Fluvoxamin plus Placebo und Placebo plus Placebo, jeweils in einem ambulanten Setting und für 14 Tage

  • Endpunkt: unter anderem PCS, ermittelt an den Tagen 180, 210, 240 270 und 300.

Hauptergebnisse

  • 1431 Probanden wurden eingeschlossen und randomisiert. Das durchschnittliche Alter lag bei 45 Jahren, der mediane BMI betrug 29,8 kg/m2 und 56 % waren Frauen.

  • 8,3 % der Teilnehmer hatten eine PCS-Diagnose zum Tag 300.

  • Die kumulative Inzidenz des PCS zu Tag 300 betrug 6,3 % unter den Teilnehmern, die Metformin erhielten, und 10,4 % unter den Probanden, die ein Metformin-Placebo einnahmen.

  • Die Hazard Ratio (HR) für ein PCS betrug damit 0,59 bei Metformin-Einnahme, eine Risikoreduktion um 41 % im Vergleich zu Teilnehmern, die kein Metformin erhielten (p =0,012). 

  • Einen Benefit durch Metformin gab es über alle präspezifizierten Subgruppen hinweg. 

  • Bei Adipositas zum Beispiel betrug die HR für ein PCS bei Metformin-Einnahme 0,44, bei Probanden < 45 Jahre 0,39, bei Nicht-Geimpften 0,44, bei Geimpften 0,85 und bei einer Dominanz der Omikron-Variante 0,45.

  • Bei der Einnahme von Ivermectin oder Fluvoxamin gab es dagegen keine statistisch signifikante Senkung des Risikos für ein PCS (HRs: 0,99 und 1,36).

Klinische Bedeutung

Eine rasche Gabe von Metformin - zeitnah zum Beginn einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion und mit 14 Tagen Therapiedauer - senkt das Risiko für ein Post-COVID-Syndrom, so die Autorinnen und Autoren. 

Die Prophylaxe lasse sich mit geringem Aufwand ambulant umsetzen (4). Mit übergewichtigen Patienten habe man für die Studie bewusst Teilnehmer mit erhöhtem Risiko für schwerere Verläufe von COVID-19 gewählt, wenngleich ein PCS nicht generell mit stärkerer COVID-Symptomatik assoziiert sei.

Gründe für die Wirksamkeit des Antidiabetikums könnten die in vitro und in vivo nachgewiesenen Aktivitäten gegen SARS-CoV-2 sein, außerdem die Senkung des oxidativen Stress im Gewebe und die antiinflammatorischen Effekte von Metformin.

Vorteile des Medikaments seien die gute Verträglichkeit und die große Erfahrung mit der Substanz in der Medizin.

Obwohl es derzeit in Deutschland wenig dokumentierte Fälle von SARS-CoV-2 gibt, wird mit einer Herbst-Winterwelle gerechnet.