SARS-CoV-2-Infektion: Erste Leitlinie zur Prä-Expositionsprophylaxe veröffentlicht
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie haben mehrere Fachgesellschaften die erste Leitlinie zur SARS-CoV-2-Prä-Expositionsprophylaxe erstellt. Die Autoren der S1-Leitlinie erläutern unter anderem, bei welchen Patienten eine Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) in Betracht kommt und wie sie durchgeführt wird.
Schwere Verläufe trotz Impfung bei Immunschwäche
Die Impfung gegen COVID-19 ist außer der Reduktion des Expositionsrisikos die wirksamste und wichtigste Maßnahme, um einen schweren Verlauf der Erkrankung zu verhindern. Die Wirksamkeit setzt ein funktionierendes Immunsystem voraus, welches in der Lage ist eine adäquate Immunreaktion nach der Schutzimpfung aufzubauen. Patienten mit einer relevanten Störung des Immunsystems, z.B. durch eine hämatoonkologische Erkrankung, eine andauernde Chemo- und Immuntherapie, haben daher ein hohes Risiko für ein serologisches Impfversagen und zugleich das höchste Risiko für schwere oder tödliche COVID-19 Verläufe.
Indikationen für die Prophylaxe
Patienten mit schwerwiegender Immundefizienz, einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf sowie nachweislich nicht ausreichendem Ansprechen auf die Impfung haben deshalb die Möglichkeit einer Prä-Expositionsprophylaxe. Die prophylaktische Gabe von SARS-CoV-2-neutralisierenden monoklonalen Antikörpern reduziert im Fall einer Infektion das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung. Voraussetzungen für eine SARS-CoV-2 PrEP mit nMAK sind laut der Leitlinie:
- Alter von mindestens 12 Jahren
- Es besteht eine relevante Grunderkrankung oder Therapie, die mit einer relevanten Immundefizienz bzw. relevanten Beeinträchtigung der Impfantwort einhergeht.
- Es liegt ein aktueller negativer SARS-CoV-2 Virusnachweis (bevorzugt PCR oder anderes Nukleinsäureamplifikationsverfahren) vor.
- Es ist ein vollständiger Versuch der aktiven Immunisierung mit mindestens 4 Impfungen im Kontext der aktuellen STIKO-Empfehlung für Patienten mit Immundefizienz durchgeführt worden.
- Nachweis eines serologischen Impfversagens mit fehlendem IgG-Antikörpernachweis (anti-S oder anti-RBD) 2-4 Wochen nach vollständigem, bzw. idealerweise intensiviertem Impfschema als Hinweis eines fehlenden humoralen Impfansprechens.
„Die SARS-CoV-2-PrEP ist allerdings keinesfalls als Ersatz für eine vollständig durchgeführte Schutzimpfung entsprechend aktueller STIKO-Empfehlungen zu verstehen. Auch Patienten mit geschwächtem Immunsystem profitieren in den meisten Fällen von einer intensivierten Impfserie“, sagt Jakob J. Malin, Infektiologe an der Uniklinik Köln, der gemeinsam mit Privatdozent Dr. med. Christoph Spinner von der Technischen Universität in München die Leitlinie koordiniert hat.
SARS-CoV-2 neutralisierende monoklonale Antikörper kommen sowohl im frühen Stadium einer Erkrankung als auch vorbeugend, als passive Immunisierung, zum Einsatz. Im Verlauf der Pandemie standen verschiedene neutralisierende monoklonale Antikörper (nMAK)- Präparate zur Verfügung. Die Wirkweise durch Bindung der nMAK an spezifischen Stellen des Hüllenproteins (Spike-Protein) von SARS-CoV-2 macht diese Wirkstoffe jedoch anfällig für Wirkungsverluste durch neu auftretende Virusvarianten mit Mutationen, welche Einfluss auf die Bindungsstelle haben, wie im Fall der Omikron-Variante beobachtet wurde.
Das Problem: Varianten-Vielfalt
Das erste nMAK-Präparat mit Zulassung zur SARS-CoV-2 PrEP war Casirivimab/Imdevimab, das unter anderem gegen die bis etwa Ende 2021 prävalente Delta-Variante wirksam war. In vitro Untersuchungen haben jedoch einen ausgeprägten Wirkungsverlust gegenüber derzeit zirkulierenden Omikron-Varianten gezeigt, sodass das Präparat aktuell nicht zur SARS-CoV-2 PrEP eingesetzt werden soll.
Mit Zulassung des Kombinationspräparats Tixagevimab/Cilgavimab zur PrEP im März 2022 steht aktuell ein weiteres Kombinationspräparat zur Verfügung; es hat in Laboruntersuchungen auch gute Wirksamkeit gegen Omikron-Varianten gezeigt, und zwar auch gegen die derzeit in Deutschland zirkulierenden Omikron-Subvariante BA.2. Dieses Präparat kann aktuell zur Prä-Expositionsprophylaxe in Deutschland und der EU eingesetzt werden.
Tixagevimab/Cilgavimab ist für Personen ab 12 Jahren (> 40 kgKG) zugelassen und wird einmalig durch jeweils eine intramuskuläre Injektion in einer Dosierung von 150/150 mg verabreicht, wobei eine Dosisverdoppelung der Federal Drug Administration (FDA) in den USA nur für BA.1 empfohlen wurde und daher in Deutschland derzeit nicht indiziert ist.
Die Ergebnisse der Zulassungsstudie legen dem pharmazeutischen Hersteller zufolge eine Wirksamkeit von mindestens sechs Monaten nahe. Ob und in welchem Zeitintervall eine wiederholte Verabreichung in der aktuellen Konstellation sinnvoll sein kann, ist aktuell noch unklar.
Aktuell findet in Deutschland kein kommerzieller Vertrieb von nMAK-Präparaten statt, die zur SARS-CoV-2 -PrEP eingesetzt werden können. Die vorhandenen Bestände wurden vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Pandemie beschafft. Sie können über bevorratende Stern- und Satellitenapotheken aus der Bundesnotfallreserve bezogen werden.
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