SARS-CoV-2-Infektion: Antivirale Therapie mit Remdesivir fördert Entwicklung von Virusvarianten

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Eine länger anhaltende SARS-CoV-2-Infektion ist nicht per se mit einer raschen Virusevolution im Körper des einzelnen Patienten assoziiert. Bei Remdesivir-Behandlung aber kann die genetische Diversität des Virus im Wirt deutlich ansteigen, und zwar schon kurz nach Behandlungsbeginn. Unter Therapie mit Rekonvaleszentenplasma oder mit Glukokortikoiden wird eine rasche Virusevolution nicht beobachtet.

Hintergrund
Langanhaltende SARS-CoV-2-Infektionen treten vor allem bei immungeschwächten Patienten auf und werden als potenzielle Ursache für eine erhöhte genetische Diversität diskutiert: Eine verringerte Immunrestriktion könnte zu einer breiten Zunahme der viralen Vielfalt innerhalb des Wirts führen und so die Entstehung neuer Varianten mit klinischer Bedeutung begünstigen, insbesondere wenn antivirale Behandlungen oder Rekonvaleszenzplasma einen Selektionsdruck ausüben. Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Virologie und des Universitätsklinikums hat nun untersucht, ob sich bei Patienten mit langanhaltenden Infektionen generell schneller Varianten ausbilden oder ob bestimmte Behandlungsschemata die Entstehung von Mutationen fördern.

Design

  • Längsschnittuntersuchung mit 14 Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 und anhaltender Viruspersistenz in den oberen oder unteren Atemwegen
  • Dauer der SARS-CoV-2-Infektion: 30-146 Tage
  • Durchschnittliches Alter der Patienten: 62,2 Jahre
  • Alle Patienten erhielten eine COVID-19-Behandlung, entweder Dexamethason, Rekonvaleszentenplasma oder Remdesivir.
  • Analysen: engmaschige Bestimmung der Viruslast mit quantitativer Reverse-Transkriptase-PCR und Whole-Genome-Sequencing an 112 positiven Proben im Zeitrahmen von 30-146 Tagen

Hauptergebnisse

  • Alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten Grunderkrankungen wie Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, Adipositas, arterielle Hypertonie, COPD, Rheuma, Malignome (follikuläres Lymphom) oder erhielten eine Immunsuppression nach Organtransplantation.
  • Bei den meisten Patienten war das Virus genetisch stabil. Entweder gab es keine Mutationen oder diese waren nur vorübergehend und es kam zu Rückmutationen.
  • Bei den 3 Patienten allerdings, die Remdesivir erhielten, bildeten sich stabile Varianten aus, und zwar zum Teil rasch.
  • Bei einer Patientin mit follikulärem Lymphom als Grunderkrankung kam es unmittelbar nach Beginn der Behandlung mit Remdesivir zu einer hohen Anzahl von Virusmutationen, darunter mindestens einer, die eine erhöhte Resistenz gegenüber Remdesivir vermitteln könnte.
  • Allerdings wurden Remdesivirresistenzen nicht direkt bei mutierten Viren den entsprechenden Patienten nachgewiesen.

Klinische Bedeutung
Eine länger andauernde SARS-CoV-2-Infektion ist nicht per se mit einer raschen Virusevolutation assoziiert. Bei Remdesivir-Behandlung kann es jedoch zum deutlichen Anstieg der viralen Intra-Host-Diversität kommen, auch schon kurz nach Behandlungsbeginn.

Bei einer Therapie mit Dexamethason oder mit Rekonvaleszentenplasma wurde in dieser Studie keine erhöhte Ausbildung von Virusvarianten gefunden, trotz längerer Viruspersistenz im Patienten.

Die Studienergebnisse müssten durch weitere Untersuchungen bestätigt werden, so die Autoren. Sie seien aber schon jetzt in die Diskussionen über die SARS-CoV-2-Therapie einzubeziehen. Denn in vielen Ländern inklusive Deutschland kann Remdesivir schon in der Frühphase der Infektion (≤ 5–7 Tage seit Symptombeginn oder vermutetem Infektionszeitpunkt) bei leicht oder mittelschwer Erkrankten mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe angewendet werden (2).

Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft