RKI: Verlust des Masern-Nestschutzes spätestens nach neun Monaten
- Andrea Hertlein
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Spätestens bei Säuglingen im Alter von neun Monaten, können keine Masern-IgG-Antikörper mehr von der Mutter nachgewiesen werden. Das geht aus einer Studie hervor, die kürzlich im Epidemiologischen Bulletin 38/2023 veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse stützen somit die derzeitige Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), bei erhöhtem Expositionsrisiko den Zeitpunkt der ersten MMR-Impfung auf neun Monate vorzuverlegen sowie die Impfquoten insbesondere bei Kleinkindern, aber auch bei jungen Erwachsenen zu steigern.
Säuglinge und Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr sind eine besonders vulnerable Gruppe für Maserninfektionen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) werden bei ihnen gegenüber anderen Altersgruppen zwei- bis 40-fach höhere Erkrankungsinzidenzen beobachtet. Zudem sind sie häufiger von schweren, komplikationsbehafteten Verläufen betroffen. Der Grund: Kleinkinder unter zwei Jahren verfügen einerseits nicht mehr über ausreichende Mengen mütterlicher Antikörper und haben andererseits auch selbst noch keine Impfung erhalten. Um den Zeitraum zwischen dem Verlust des Nestschutzes bis zum selbst aufgebauten Immunschutz durch die Impfung möglichst kurz zu halten, sind Kenntnisse über die Dauer der mütterlichen Leihimmunität unerlässlich.
Nur wenige Seroprävalenzstudien bei unter Zweijährigen
In Seroprävalenzstudien sind unter Zweijährige allerdings oft unterrepräsentiert. Um die Seroprävalenz in dieser Altersgruppe detailliert darzustellen, werteten Sophie Rettenbacher-Riefler vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und ihre Kollegen Masern-IgG-Antikörperbestimmungen aus den Jahren 2006 bis 2019 von 1.523 Kindern unter zwei Jahren nach Altersgruppen stratifiziert aus. Die Masern-IgG-Antikörperbestimmungen (Masern-IgG-AK) erfolgten im Rahmen von MERIN (Meningitis und Enzephalitis Register in Niedersachsen und Bremen) bei hospitalisierten Kindern.
Nestschutz durch Impfung der Mütter verkürzt
Die Analyse ergab einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Masern-IgG-AK und dem Alter zum Untersuchungszeitpunkt. Die Seroprävalenz bei den Neugeborenen lag den Studienergebnissen zufolge bei 82 Prozent, während noch vor einigen Jahrzehnten Seroprävalenzen von über 90 Prozent bei Neugeborenen gefunden wurden. Die Autoren begründen die niedrigeren Antikörperspiegel damit, dass der Nestschutz bei Säuglingen verkürzt ist, deren Mütter ausschließlich durch die Impfung immunisiert sind.
Ab der 20. Lebenswoche, was einem Alter von 4,5 Monaten entspricht, waren Masern-IgG-AK nur bei weniger als 10 Prozent der untersuchten Kinder nachweisbar. Kein einziges der zwischen der 40. und 48. Lebenswoche untersuchten Kinder verfügte über Masern-IgG-AK. Da die Seroprävalenzwerte ab dem Zeitpunkt der Geburt kontinuierlich sinken, handele es sich laut der Studienautoren hierbei sehr wahrscheinlich um maternale Antikörper, die ab dem neunten Lebensmonat nicht mehr nachgewiesen werden können.
Knapp ein Fünftel der 2-Jährigen nicht geimpft
Desweiteren zeigten die Ergebnisse, dass bei Kindern um das erste Lebensjahr eine Seroprävalenz von 20 Prozent vorlag, die in den darauffolgenden Altersgruppen während des zweiten Lebensjahres stetig auf Werte um 80 Prozent anstieg, was vermutlich auf eine eigene, impfbedingte Antikörper-Produktion zurückzuführen sei. „Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass zumindest bei einem Teil der Kinder rund um den ersten Geburtstag mit der MMR-Impfung begonnen wurde“, schreiben die Autoren.
Zwischen 2001 und 2020 sollten nach STIKO-Vorgaben im Alter von 11 bis 14 Monaten die erste, und mit einem Abstand von mindestens vier Wochen die zweite MMR-Impfung zwischen dem 15. und 23. Lebensmonat verabreicht werden. Etwa die Hälfte aller Kinder in Deutschland wird jedoch zu einem späteren Zeitpunkt geimpft als empfohlen, und bis zum Einschulungsalter werden Masernimpfungen noch nachgeholt, heißt es im RKI-Bericht. Dass zum Ende des zweiten Lebensjahres bei knapp einem Fünftel des untersuchten Kollektivs keine Masern-IgG-AK nachweisbar waren, untermauere diese Beobachtung, so die Wissenschaftler.
MMR-Impfung ab neun Monaten?
Im Jahr 2020 wurde das Zeitfenster für die erste und zweite MMR-Impfung erneut verkürzt und auf den 11. sowie den 15. Lebensmonat vorverlegt, um damit den niedrigen Seroprävalenzen entgegen zu wirken. Die Autoren stimmen aufgrund ihrer Studienergebnisse den derzeitigen Empfehlungen zu, bei erhöhtem Expositionsrisiko die MMR-Impfung sogar schon ab einem Alter von neun Monaten zu verabreichen, in Ausnahmefällen und nach individueller Indikation auch schon mit sechs bis acht Monaten.
Eine generelle Überlegung, zur Verkürzung des schutzlosen Intervalls den Zeitpunkt der ersten MMR-Impfung auf ein Alter von neun Monaten vorzuverlegen, sollte jedoch gegen verschiedene Faktoren, wie frühkindliche Immunkompetenz oder auch die Tatsache, dass es sich um einen Kombinationsimpfstoff handelt, abgewogen werden.
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