Rezidivierende Harnwegsinfektionen: Was hilft als Prophylaxe?

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Rezidivierende Harnwegsinfektionen sind für die Betroffenen mitunter sehr belastend. Ein Aufklärungsgespräch über die Entstehung von Risikofaktoren und die Vermittlung von Verhaltensempfehlungen können jedoch bereits vielen Frauen helfen. Eine antibiotische Prophylaxe sollte immer erst dann erwogen werden, wenn alle nicht-antibiotischen Therapien versagt haben.

Rezidivierende HWIs bei einem Drittel der Frauen

Jede siebte Frau leidet zumindest einmal im Jahr an einer Zystitis; bei rund einem Drittel von ihnen kommt es innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der Erstinfektion neuerlich zu einem Harnwegsinfekt. Eine rezidivierende Harnwegsinfektion liegt vor, wenn zwei symptomatische Episoden innerhalb der letzten 6 Monate bzw. drei Episoden innerhalb der letzten 12 Monate aufgetreten sind.

Eine Reduktion der Rezidivrate von Harnwegsinfektionen ist durch verschiedenste Ansätze möglich, schreiben Daniel Klußmann und Florian Wagenlehner von der Klinik und Poliklinik für Urologie der Universität Gießen in DMW-Klinischer Fortschritt. Außer allgemeiner Aufklärung und Beratung seien vor allem die nicht-antibiotischen Therapie-Optionen zur Rezidivreduktion wichtig, mit dem Ziel Resistenzentwicklungen und den entsprechenden unerwünschten Nebenwirkungen von Antibiotika vorzubeugen.  

Viel trinken, aber nicht zu viel

Zu den nicht antibiotischen Strategien zählt allen voran das persönliche Beratungsgespräch. Studien zufolge konnte allein dadurch die Häufigkeit von rezidivierenden Harnwegsinfekten gesenkt werden. Besonders hilfreich seien laut der Autoren spezielle Schulungsprogramme zu Ursachen und Verhaltensmaßnahmen. Dazu gehört auch die Empfehlung einer ausreichenden, jedoch nicht übermäßigen Trinkmenge von etwa 1,5 Litern pro Tag. Die HWI-Häufigkeit kann einer randomisierten Studie zufolge dadurch sogar halbiert werden. Eine übermäßige Flüssigkeitszufuhr sollte jedoch ebenfalls vermieden werden, um die im Urin vorhandenen antimikrobielle Peptide nicht zu verdünnen.

Vorteil von D-Mannose bewiesen

Vorteilhaft sei dabei auch der regelmäßige Verzehr von Fruchtsäften, vor allem aus Beeren, so die Autoren. Studienergebnisse zur Langzeitprävention etwa mit Cranberry- und Moosbeerenprodukten sind aber widersprüchlich, so dass in der aktualisierten Leitlinie keine Empfehlung ausgesprochen wird. Genauso wie Cranberry- und Moosbeeren hemmt auch D-Mannose die Fimbrien von E. coli Bakterien und somit die Adhäsionsfähigkeit der Bakterien am Blasenepithel. Die Autoren zitieren eine Studie, wonach die Einnahme von 2 g, gelöst in einem Glas Wasser täglich, die Rate an Harnwegsinfektionen im Gegensatz zu Placebo signifikant senkt.

In der S3-Leitlinie werden außerdem unterschiedliche phytotherapeutische Präparate wie Bärentraubenblätter, Kapuzinerkressekraut oder Meerrettichwurzel empfohlen, wobei Studien zur  Vergleichbarkeit bei Phytotherapeutika sehr schwer zu realisieren seien, räumen die Autoren ein.

Höchstes Rezidivrisiko durch Geschlechtsverkehr

Bekannt ist , dass die Rezidivrate von Harnwegsinfektionen mit der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs positiv korreliert – und zwar um den Faktor 60. Auch Verhütungsmethoden, wie der Gebrauch von Intravaginal-Ovula, mit Spermiziden beschichtete Diaphragmen oder Kondome sowie Intrauterin-Spiralen erhöhen das Risiko für Harnwegsinfektionen um den Faktor 2 bis 14. Abhilfe könne eine sexuelle Abstinenz, auch von temporärer Dauer, schaffen. Die Empfehlung einer unmittelbaren Entleerung der Harnblase nach dem Koitus ist in der Literatur allerdings widersprüchlich. Eine übertriebene Intimhygiene schädigt hingegen eindeutig das lokale protektive Milieu.

Lokale Östrogensubstitution in der Postmenopause sinnvoll

Bei Frauen in der Postmenopause gibt es als weitere nicht- antibiotische Prophylaxe die Möglichkeit der lokalen Estriolsubstitution (0,5 mg/Tag). Diese dient zur Therapie der vaginalen Atrophie und verringert die vaginale Besiedlung mit Uropathogenen sowie den vaginalen pH-Wert. Die Autoren zitieren skandinavische Studien, die bei der lokalen Anwendung von Estriol kein erhöhtes Mammakarzinom-Risiko feststellen konnten.

Immunoprophylaxe empfohlen

Des Weiteren empfehlen die aktuellen Leitlinien die orale Immunstimulation mit bakteriellen Zellwandbestandteilen uropathogener Escherichia-coli-Stämme (OM89, Uro-Vaxom®). Die Autoren berichten über zwei Metastudien, wonach im Durchschnitt die Rezidivrate um 39 Prozent gegenüber Placebo gesenkt werden konnte. Zusätzlich reduzierte sich die Behandlungszeit bei Durchbruch-Infektionen signifikant und die Prävention mit OM-89 könne bereits während einer Akuttherapie gestartet werden. Empfohlen wird zudem die parenterale Immunstimulation mit inaktivierten Erregern (StroVac®). Als kutane Immunstimulation zeigte auch die Akupunktur einen positiven protektiven Effekt.

Antibiotische Prophylaxe erst bei Versagen nicht-antibiotischer Therapien

Erst bei Versagen der nicht-antibiotischen Therapien sollte laut der Autoren bei hohem Leidensdruck der Patienten eine antibiotische Prophylaxe eingeleitet werden. Angestrebt sei diese für einen Zeitraum über 3 bis 6 Monate. Bei der Auswahl eines Antibiotikums sollte vor Therapiestart der entsprechende Erreger durch eine Urinkultur gesichert und eine Resistenztestung durchgeführt werden. Die postkoitale antibiotische Einmalprävention stelle dagegen besonders für Frauen, bei denen ein Zusammenhang der rezidivierenden HWIs mit Geschlechtsverkehr vermutet wird, eine Alternative dar, so die Autoren.