Recht auf Nicht-Wissen: Ist die ärztliche Aufklärung eine Farce?

  • Presseagentur Gesundheit (pag)
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Berlin (pag) – „Das Recht auf Nicht-Wissen ist in unserer Gesundheitsversorgung nicht besonders gut etabliert.“ Das kritisiert Prof. Gunnar Duttge von der Universität Göttingen. Auf einer Veranstaltung der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit seltenen Erkrankungen plädiert der Jurist dafür, den rechtlichen Rahmen für die ärztliche Aufklärung fundamental zu verändern. Die gegenwärtige Aufklärung empfindet er als Farce.

 

Eigentlich, führt der Rechtswissenschaftler aus, verheiße Wissen die Aussicht, bessere Entscheidungen treffen zu können. Manchmal könne es aber von Vorteil sein, bestimmte Dinge nicht zu wissen, weil es die Fähigkeit, frei verantwortliche Entscheidungen zu treffen, behindere. Der Rechtswissenschaftler spricht von einem Damoklesschwert, „wenn wir zwar über das Wissen verfügen, aber nicht über Handlungsmöglichkeiten, um darauf zu reagieren“. Das sei bei fehlenden oder unsicheren Therapiemöglichkeiten der Fall oder bei Szenarien, die lediglich Risiken für die Zukunft verheißen.

Der Humangenetiker Prof. Ingo Kurth (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen) weist darauf hin, dass eine breite genetische Testung die Möglichkeit darstelle, Dinge herauszufinden, die nicht im direkten Zusammenhang mit der eigentlichen Fragestellung der Krankheit stehen und die der Patient vielleicht nicht wissen möchte. Eine offene Kommunikation vorab sei daher besonders wichtig. Dabei stoße man aber an die Grenzen dessen, was ein Mediziner vorab mit seinen Patienten besprechen kann.

Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Duttge ist der an die ärztliche Aufklärung gerichtete Vollständigkeitsanspruch verfehlt. Im individuellen Arzt-Patienten-Verhältnis könne es immer nur einen individuellen Wahrheitswunsch geben. Durch Schadensersatzdrohungen habe sich ein selbstlaufendes System von Aufklärungsformularen und Defensivmedizin entwickelt. Darunter versteht der Strafrechter, wenn die Sorge vor dem Recht größer wird als die Sorge, den einzelnen Patienten gut zu behandeln. Er fordert, den rechtlichen Rahmen für die ärztliche Aufklärung fundamental zu verändern.