Rückenmarkstimulation kann diabetische Neuropathie lindern
- Tara Haelle
- Medizinische Nachrichten
Die Ergebnisse beruhen auf der bisher längsten verfügbaren Nachbeobachtung zu einer Rückenmarkstimulation mit einer höheren Frequenz als den ursprünglich von der FDA für diabetische Neuropathie zugelassenen 60 Hz, so die Hauptautorin Erika A. Petersen, M.D., Professorin für Neurochirurgie an der University of Arkansas for Medical Sciences, Little Rock.

Universität Arkansas
„Man würde erwarten, dass jemand, der 24 Monate lang unter Diabetes und einer Neuropathie leidet, nach 2 Jahren eine Progredienz der Neuropathie aufweist. Wir sehen, dass die Menschen in Bezug auf ihre Nervenfunktion nach 2 Jahren stabil waren oder Verbesserungen zeigten“, sagte Dr. Petersen in einem Interview. „Dies ist also wirklich revolutionär.“
Ermutigende vorläufige Ergebnisse
Die vorläufigen Ergebnisse sind „vielversprechend“, sagte John D. Markman, M.D., Professor für Neurologie und Neurochirurgie, Vizevorsitzender für klinische Forschung und Direktor des Translational Pain Research Program an der University of Rochester (N.Y.) Medical Center, in einem Interview. Markman, der nicht an dieser Studie beteiligt war, merkte an, dass, obwohl die Ergebnisse ermutigend sind, es „weniger klar ist, wie viel von [der Schmerzverbesserung] auf das zurückzuführen ist, was wir als gezielten schmerzlindernden Nutzen durch die Stimulation bezeichnen würden, oder eher durch andere Faktoren wie Erwartungen bedingt ist“. Die Crossover-Rate und der Grad der Verringerung der Schmerzintensität seien vielversprechend, aber „ich denke, man muss diese Begeisterung gegen die Tatsache abwägen, dass es sich um eine offene Studie handelt“.
Eine unzureichend angewendete Behandlung
Obwohl es die Rückenmarkstimulation bereits seit den späten 1960er Jahren gibt, wurde sie erst in den 2000er Jahren vermehrt zur Behandlung chronischer Nervenschäden in Zusammenhang mit neuropathischen Schmerzsyndromen eingesetzt, erklärt Dr. Petersen. Die FDA erteilte für die neue Behandlungsindikation diabetische Neuropathie im Jahr 2015 die Zulassung, und Daten von Abbott und Medtronic haben für die Rückenmarkstimulation bei 60 Hz einen Nutzen gezeigt. Einige Patienten empfinden jedoch die Vibrationen oder das Kribbeln, das die Geräte bei dieser Frequenz verursachen können, als unangenehm.
„Sie beschreiben Empfindungen wie Krabbeln bzw. Ameisen, die über die Füße laufen, oder Nadelstiche und Schmerzempfindlichkeit“, so Dr. Petersen. „Man erzeugt ein Vibrationsgefühl in derselben Zone, in der sie bereits diese Empfindungen von Pulsieren, Schmerz und Vibrieren spüren, und manchmal ist es [mit der Rückenmarkstimulation bei 60 Hz] sogar noch unangenehmer und in Bezug auf eine Linderung noch weniger zufriedenstellend für sie. Daher werden nur ein Teil der Patienten die Behandlung tatsächlich nutzen,“ sagte sie.
Bei 10 kHz hingegen, sagte sie, „spüren die Menschen kein damit verbundenes Vibrieren oder Kribbeln, es blockiert lediglich das Schmerzsignal“. Der Unterschied zwischen den Frequenzen ist vergleichbar mit dem zwischen „einer Bademeisterpfeife und einer Hundepfeife“.
Untersuchung der Hochfrequenzstimulation
Die neuen Ergebnisse umfassten die Daten einer 24-monatigen Nachbeobachtung aus einer randomisierten kontrollierten Studie, in der die Wirksamkeit der hochfrequenten Rückenmarkstimulation bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie untersucht wurde. Die ursprünglichen 216 Teilnehmer, die in die Studie aufgenommen wurden, hatten mindestens 12 Monate lang Symptome einer diabetischen Neuropathie und konnten Medikamente entweder nicht vertragen oder sprachen auf diese nicht an. Die Aufnahmekriterien umfassten auch eine Schmerzintensität in den unteren Extremitäten von mindestens 5 auf einer visuellen Analogieskala von 0–10 sowie einen Hämoglobin-A1c-Wert von nicht mehr als 10 %.
In den ersten 6 Monaten der Studie – bevor der Crossover angeboten wurde – wurden die Teilnehmer randomisiert entweder dem Erhalt einer 10-kHz-Rückenmarkstimulation zusammen mit einer konventionellen medikamentösen Behandlung oder dem Erhalt einer konventionellen medikamentösen Behandlung allein zugeteilt. Die 6-Monats-Daten von 187 Patienten zeigten, wie im April 2021 im Fachmagazin "JAMA Neurology" berichtet, dass 79 % der Patienten, die eine Rückenmarkstimulation erhielten, eine um mindestens 50 % verbesserte Schmerzlinderung feststellten, ohne Verschlechterung ihrer neurologischen Defizite, und verglichen mit nur 5 % der Patienten, die lediglich eine konventionelle Behandlung erhielten.
Die durchschnittlichen Schmerzwerte nahmen bei den Kontrollteilnehmern um 2 % zu im Vergleich zu einem Rückgang von 76 % bei denjenigen mit Anwendung der Rückenmarkstimulationsgeräte. Darüber hinaus zeigten 62 % der Patienten, die eine Rückenmarkstimulation erhielten, eine neurologische Verbesserung der Reflexe, der Kraft, der Bewegung und der Empfindung, im Vergleich zu 3 % der Patienten in der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Studie veranlassten die FDA, das Gerät mit 10 kHz zuzulassen.
Nach 6 Monaten stellten 93 % der Kontrollpatienten auf die Rückenmarkstimulation um, während keiner der die Geräte nutzenden Patienten sich dafür entschied, die Rückenmarkstimulation zu stoppen. Die 12-Monats-Daten zeigten, dass 85 % der Patienten, die eine Rückenmarkstimulation erhielten, eine Schmerzlinderung von mindestens 50 % erfuhren, wobei die durchschnittliche Schmerzlinderung bei 74 % lag. Die Patienten berichteten zudem über eine statistisch signifikante Verbesserung der Lebensqualität sowie weniger schmerzbedingte Beeinträchtigungen des Schlafs, der Stimmung und der täglichen Aktivitäten.
Zwei Jahre nach der Baseline hatte die Schmerzlinderung der Patienten mit einer durchschnittlichen Verbesserung von 80 % nach wie vor Bestand, und 66 % der Patienten zeigten eine neurologische Verbesserung im Vergleich zur Baseline. Bei keinem Patienten musste das Gerät aufgrund von Unwirksamkeit entfernt werden. Bei 5 Patienten wurde das Gerät aufgrund einer Infektion wieder entfernt, während drei weitere Patienten ebenfalls Infektionen entwickelten, die aber abklangen.
„Die Möglichkeit, etwas anzubieten, das kein Pharmazeutikum ist, ohne die Nebenwirkungen, etwas, das ein noch längeres Andauern des Ansprechens zeigt, ist zu diesem Zeitpunkt ein wirklich wichtiges Ergebnis“, sagte Dr. Petersen.
Chirurgische Gesichtspunkte
Unter den geschätzten 37 Millionen Amerikanern mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes leidet etwa ein Viertel an einer schmerzhaften diabetischen Neuropathie. Medikamente und andere medizinische Behandlungsstrategien sind bei der Behandlung ihrer Schmerzen jedoch nicht immer ausreichend. Nach einer 1-wöchigen Probephase der Rückenmarkstimulation wird das Gerät unter die Haut implantiert und kann bis zu 10 Jahre lang durch die Haut wieder aufgeladen und danach ersetzt werden.
Ein geeigneter Kandidat für eine Rückenmarkstimulation wäre jemand, bei dem nichtinvasive Schmerzlinderungsoptionen, einschließlich Medikamente, unwirksam oder für den sie nicht verträglich sind, sagten Petersen und Markman. Eine angemessene Studie zu Medikamenten beinhaltet keine „Einheitsgröße“, sondern würde von Patient zu Patient variieren, fügte Markman hinzu, der sich auch dafür interessierte, ob die Teilnehmer dieser Studie eine Reduktion der Schmerzmittel erreichen konnten.
„Ich denke, es gibt eine beträchtliche Anzahl an Patienten, die davon profitieren können. Das ist auch der Grund, warum dies so vielversprechend und spannend ist,“ sagte Markman. „Ich denke, es ist wichtig zu sehen, ob sie dadurch tatsächlich weniger Medikamente einnehmen müssen oder ob sich die Stimulation als eine weitere Behandlung zusätzlich zu ihrer Grundbehandlung herausstellt.“ Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, „welche Patienten am wahrscheinlichsten davon profitieren und welche am wahrscheinlichsten einen Schaden davontragen“. Abgesehen von einer durch die Implantation verursachten Infektion seien weitere mögliche Risiken Schmerzen an der Position der Batterie sowie in seltenen Fällen die Notwendigkeit einer erneuten Operation aufgrund einer Lageveränderung der Elektroden.
Verbesserung der Symptomschwere und Lebensqualität
Nachdem die durch die Implantation entstandene Wunde vollständig abgeheilt ist, haben Patienten, die das Gerät verwenden, keine weiteren Aktivitätseinschränkungen, außer dem Verzicht auf magnetische Interferenzen, wie sie bei MRTs entstehen, erklärte Petersen. „Ich hatte schon Personen, die danach Kajaktouren in der Wildnis unternommen haben, die getaucht sind, mit ihren Enkelkindern geangelt haben, also alle möglichen Aktivitäten unternommen haben. Wenn Patienten einen Scan jeglicher Art benötigen, sollten sie fragen, ob dieser für einen Schrittmacher sicher ist, da diese Geräte so etwas wie ein „Schrittmacher für Schmerzen“ sind.
„Ich hatte einen Patienten, der Solarladegeräte mitnahm, damit er seine Batterie beim Kajakfahren in abgelegenen Wäldern wieder aufladen konnte, denn das war der Grad an Schmerzlinderung, den er erfuhr – von kaum in der Lage sein, den Flur hinunterzugehen, bis hin dazu, sich auch ohne Netzanbindung wieder wohlzufühlen und wieder aktiv sein zu können“, sagte Dr. Petersen. „Solche Verbesserungen der Lebensqualität sind massiv.“
Die Studienergebnisse könnten auch darauf hindeuten, dass die Rückenmarkstimulation einer breiteren Population von Patienten mit neuropathischen Schmerzen zugutekommen kann, so Markman. „Es besteht ein außerordentlich großer Bedarf an Neuropathie-Therapien, und eine wichtige Frage ist hier, inwieweit die diabetische Neuropathie und das Ansprechen, das wir hier sehen, stellvertretend für eine breitere Wirkung bei vielen Neuropathien stehen, die durch andere Erkrankungen als Diabetes verursacht werden“, sagte Markman. „Es gibt viele Gründe zu glauben, dass dies nicht nur bei diabetes-bedingten neuropathischen Schmerzen hilfreich sein wird, sondern auch bei anderen Arten von neuropathischen Schmerzen, die mit einem ähnlichen klinischen Bild oder klinischen Symptomen einhergehen wie die diabetische periphere Neuropathie.“
Die Studie wurde von Nevro finanziert, dem Hersteller der Geräte.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf mdedge.com veröffentlicht.
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