Psychiatrische Notfälle: Vergiftungswahn und Freiheitsentzug - Folge 3

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Eine 62-jährige Frau ist laut ihrer Schwiegertochter schon länger „komisch“ und habe die Wohnung in den letzten Jahren nicht mehr verlassen, berichten die Allgemeinmedizinerin Dr. Bernadett Hilbert, ihre Münchener Kollegin Dr. Marlies Karsch-Völk sowie Professor Dr. Michael Landgrebe (kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied). Seit zwei Wochen öffne die Frau ihrer Schwiegertochter nicht mehr die Tür. Mit einem Ersatzschlüssel hätten die Schwiegertochter und eine Hausärztin schließlich das Haus der 62-Jährigen betreten können, das stark verwahrlost gewesen sei. Die Patientin soll verängstigt gewirkt und wirr geredet haben. Die Hausärztin habe sie mit folgenden Worten begrüßt: „Gott? Bist du Gott? Ich verbeuge mich. Gift kommt. Kommen tut das Gift. Heraus aus allen Leitungen. Ich bin tot. Das Gift.“ 

Was kann, was sollte man als Hausarzt oder Hausärztin in einem solchen Fall tun? Eine Option kann eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sein; dafür müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein, wie Hilbert und ihre Mitautoren erklären. Denn eine solche Unterbringung ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, bei der Patienten ohne oder gegen ihren Willen in einer beschützenden Einrichtung, etwa einer psychiatrischen Klinik oder einem Altenheim, festgehalten werden.

Eine Unterbringung erfolge auf der Basis der Unterbringungsgesetze oder nach Betreuungsrecht.  Möglich ist sie nach Angaben von Hilbert und ihren Kollegen nur dann, wenn folgende Punkte zutreffen: 

• Es liegt eine schwere psychische Erkrankung vor. 

• Aufgrund dieser Erkrankung besteht eine unmittelbare Eigen- oder Fremdgefährdung. 

• Die Gefahr kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen abgewendet werden. 

Sei nach Einschätzung eines behandelnden Hausarztes eine unfreiwillige Vorstellung in einer psychiatrischen Klinik notwendig, müssten Polizei oder Kreisverwaltungsbehörde hinzugezogen werden, erklären die Autoren.weiter. Beide Stellen könnten die vorläufige Unterbringung von Patienten anordnen. Am einfachsten sei ein Anruf bei der Polizei, da deren Telefonnummer bekannt und diese rund um die Uhr erreichbar sei. Außerdem müsse die Polizei in hochakuten Situationen meist ohnehin für den Transport von Patienten in eine Klinik hinzugezogen werden. 

Bei Unsicherheit könne der psychiatrische Krisendienst hilfreich sein, der in vielen Regionen Deutschlands existiere. Teilweise seien diese Krisendienste 24 Stunden am Tag telefonisch für Patienten in seelischen Krisen oder auch für die Beratung von Hausärzten erreichbar. 

In einer Klinik würden die Patienten sofort durch Psychiater untersucht, um die Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung zu prüfen. In manchen Fällen bestätigten sich die Gründe für die außerklinisch von Polizei oder Behörde veranlasste Unterbringung nicht. Dann müssten die Patienten sofort aus der Klinik entlassen werden.   

Andere Patienten – sofern einwilligungsfähig – entschieden sich vor Ort für einen freiwilligen Verbleib, auch in der beschützenden Abteilung. Bestehe weiterhin die Notwendigkeit zur Unterbringung, erstellten die Psychiater ein ärztliches Gutachten, das dem Amtsgericht die Gründe für die Empfehlung einer Unterbringung darlege. 

Innerhalb von bis zu 24 Stunden hörten Amtsrichter die Patienten persönlich in der Klinik an. Auf Basis dieser Anhörung und des ärztlichen Gutachtens treffe ein Richter dann eine Entscheidung über die Unterbringung oder Entlassung. Danach ergehe ein Beschluss des Richters, der die Dauer der Unterbringung festlege (regional unterschiedlich, meist für zwei bis sechs Wochen). 

Weitere Zwangsmaßnahmen, zum Beispiel Fixierungen oder eine Zwangsmedikation, müssten gesondert beim Gericht beantragt werden; im Falle einer Zwangsmedikation sei eine zusätzliche Überprüfung durch externe Gutachter notwendig.

Außer der Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen gebe es die Unterbringung nach dem Betreuungsrecht für Personen, die gesetzliche Betreuer hätten. Im Falle einer akuten Selbstgefährdung oder zum Zwecke einer notwendigen ärztlichen Untersuchung könnten sich Betreuer an das Betreuungsgericht wenden, das die Unterbringung prüfe.