Protein-Impfstoff eine weitere Option gegen SARS-CoV-2
- Michael van den Heuvel
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Von Michael van den Heuvel (Medscape)
Mit Nuvaxovid® (NVX-CoV2373) von Novavax hat die Europäische Kommission das 1. COVID-19-Vakzin auf Grundlage biotechnologisch hergestellter SARS-CoV-2-Proteine zugelassen. Er darf an Erwachsene ab 18 Jahren verimpft werden. Auf Ärzte kommen viele Fragen zu.
Wie wirkt der Novavax-Impfstoff?
Nuvaxovid enthält eine biotechnologisch hergestellte Version des Spike-Proteins. Als Expressionssystem nutzt der Hersteller modifizierte Baculoviren mit dem Gen des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Hinzu kommt das Adjuvans Matrix M™ als Wirkverstärker. Es enthält Saponine.
Das Immunsystem des Menschen identifiziert das Protein als fremd. Es beginnt, Antikörper und T-Zellen dagegen zu produzieren. Kommt die geimpfte Person später mit SARS-CoV-2 in Kontakt, erkennt das Immunsystem das Spike-Protein des Virus und ist bereit, es anzugreifen. Die Antikörper und Immunzellen können vor COVID-19 schützen, indem sie das Virus abtöten, sein Eindringen in die Körperzellen verhindern und infizierte Zellen zerstören.
Ist Novavax ein „Totimpfstoff“?
Der Begriff „Totimpfstoff“ wird nicht einheitlich verwendet. Zur Definition schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): „Totimpfstoffe enthalten abgetötete, also nicht mehr vermehrungsfähige Krankheitserreger. Hierzu zählt man auch solche Impfstoffe, die nur Bestandteile oder einzelne Moleküle dieser Erreger enthalten.“ Das RKI erklärt jedoch, bezogen auf Vektorvirus- oder mRNA-Vakzine: „Diese COVID-19-Impfstoffe enthalten ebenfalls keine vermehrungsfähigen Viren. Insofern können sie mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden.“
Nach einer strengeren Definition wäre Novavax kein „Totimpfstoff“, da er keine abgetöteten Erreger enthält, nach einer weiteren Definition kann man ihn aber so bezeichnen. Ob das Vakzin Impfskeptiker überzeugen wird, von denen einige einen „Tot-Impfstoff“ bevorzugen würden, wie oft zu lesen ist, wird sich zeigen. Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums gaben 56% der Ungeimpften an, sie würden sich impfen lassen, wenn „weitere Impfstoffe zugelassen würden, die im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Impfstoffen auf einem klassischen Wirkprinzip beruhen“.
Wie effektiv ist der Impfstoff?
Die Ergebnisse zweier klinischer Studien zeigen, dass Nuvaxovid® bei der Vorbeugung von COVID-19 bei Menschen ab 18 Jahren wirksam ist. An den Studien nahmen insgesamt über 45.000 Personen teil.
In die 1. Studie, die in Mexiko und den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde, wurden 29.949 Probanden eingeschlossen. 19.714 erhielten den Impfstoff und 9.868 Placebo. Das Studienteam erfasste 77 COVID-19-Fälle; 14 unter den Impfstoff- und 63 unter den Placebo-Empfängern. Daraus errechneten sie eine 90,4-prozentige Verringerung des COVID-19-Risikos ab 7 Tagen nach der 2. Dosis. Bei den meisten sequenzierten Virusgenomen (48/61, 78,7%) handelte es sich um besorgniserregende (VOC) oder interessante Varianten (VOI), hauptsächlich Alpha/B.1.1.7 (31/35, 88,6 % identifizierte VOC). Die Effektivität gegen alle VOC/VOI betrug 92,6 %. Andere Mutationen spielten zum Studienzeitpunkt allerdings noch keine Rolle.
Die zweite, im Vereinigten Königreich durchgeführte Studie zeigte eine ähnliche Verringerung der Zahl symptomatischer COVID-19-Fälle bei Personen, die Nuvaxovid® erhielten (10 Fälle von 7.020 Personen) im Vergleich zu Personen, die ein Placebo erhielten (96 von 7.019 Personen); in dieser Studie betrug die Impfstoff-Wirksamkeit 89,7%. Eine Post-hoc-Analyse ergab eine Wirksamkeit von 86,3% gegen die Alpha-Variante und 96,4% gegen Nicht-B.1.1.7-Varianten. Auch hier spielte Omikron noch keine Rolle.
Welche Risiken haben sich in den Studien gezeigt?
Die häufigsten Nebenwirkungen waren in der Regel leicht bis mittelschwer und besserten sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung. Dazu gehörten Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Druckempfindlichkeit und Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit und Unwohlsein. Diese betrafen mehr als eine von zehn Personen.
Rötungen und Schwellungen an der Injektionsstelle, Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen in den Gliedmaßen traten bei weniger als einer von zehn Personen auf. Vergrößerte Lymphknoten, Bluthochdruck, Hautausschlag, Hautrötung, Juckreiz an der Injektionsstelle und juckender Hautausschlag waren gelegentliche Nebenwirkungen (betreffen weniger als eine von 100 Personen).
Andere Nebenwirklungen, etwa Sinusvenenthrombosen oder Myokarditiden, beobachteten Forscher nicht; solche Ereignisse werden nach aktuellem Kenntnisstand eher mit anderen Impfstoff-Typen in Verbindung gebracht, aber nicht mit protein-basierten Vakzinen.
Wie ist der Impfstoff zu lagern?
Ärzte erhalten den Impfstoff als gebrauchsfertige Flüssigformulierung in Vials mit 10 Dosen. Als Lagertemperatur nennt der Hersteller 2 bis 8 °C, was vor allem Entwicklungsländern zugutekommt. Tiefkühlschränke sind nicht erforderlich.
Was ist bei der Anwendung zu beachten?
Das Vakzin wird in Form von zwei Injektionen in den Oberarmmuskel im Abstand von drei Wochen verabreicht.
Ab wann steht das Novavax-Vakzin zur Verfügung?
In der Europäischen Union – und damit auch in Deutschland – soll der Novavax-Impfstoff ab Januar zur Verfügung stehen; genaue Termine gibt es noch nicht. Zumindest einige Rahmenbedingungen wurden bekannt: Die EU hat für 2022 rund 100 Millionen Dosen vertraglich gesichert. Nach Deutschland sollen 16 Millionen Dosen gehen, was etwa 10% aller Bestellungen entspricht.
Schützt der Novavax-Impfstoff auch vor Omikron?
Der Hersteller hat zulassungsrelevante Studien durchgeführt, bevor Omikron zur dominierenden Variante geworden ist. Insofern fehlen noch valide Daten zu dieser Frage. Zielgruppe des Impfstoffs werden in westlichen Ländern größtenteils Personen sein, die eine Auffrischungsimpfung benötigen. Dafür fielen die Ergebnisse laut einer britischen Studie eher durchschnittlich aus; mRNA-Vakzine schnitten am besten ab. Novavax berichtet auf der Unternehmenswebsite, derzeit werde die Effektivität gegen Omikron evaluiert. Zeitgleich arbeite man an einem Vakzin gegen diese Variante.
Sind Impfungen auch bei Genesenen möglich?
Bei den Personen, die Nuvaxovid® im Rahmen klinischer Studien erhielten und zuvor an COVID-19 erkrankt waren, traten keine zusätzlichen Nebenwirkungen auf. „Es gab nicht genügend Daten aus der Studie, um eine Aussage darüber treffen zu können, wie gut Nuvaxovid® bei Personen wirkt, die bereits COVID-19 hatten“, schreibt die EMA.
Kann Novavax die Transmission von SARS-CoV-2 verringern?
Die Auswirkungen der Impfung mit Nuvaxovid® auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Offen bleibt, wie viele Geimpfte das Virus nach einer Infektion in sich tragen und verbreiten können.
Wie lange schützt der Impfstoff vor COVID-19?
Auch diese Frage ist noch ungeklärt. Teilnehmer an klinischen Studien sollen 2 Jahre lang nachbeobachtet werden.
Eignet sich das Novavax-Vakzin für Personen mit schwacher Immunantwort?
Es liegen nur begrenzte Daten zu Personen mit geschwächtem Immunsystem vor. Obwohl sie möglicherweise nicht so gut auf den Impfstoff ansprechen, bestünden laut EMA keine besonderen Sicherheitsbedenken. Immungeschwächte Menschen können weiterhin auch mit diesem Vakzin geimpft werden, da sie möglicherweise einem höheren Risiko durch COVID-19 ausgesetzt sind.
Können Schwangere und Stillende geimpft werden?
Tierexperimentelle Studien zeigen keine schädlichen Wirkungen, jedoch liegen nur begrenzte klinische Daten zur Anwendung von Nuvaxovid® während der Schwangerschaft vor. Obwohl keine Studien zum Stillen vorliegen, wird kein Risiko für das Stillen erwartet. Die Entscheidung sollte von Ärzten zusammen mit Patientinnen nach Abwägung von Nutzen und Risiken getroffen werden.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Medscape.de.
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