Prolaktinome: Internationale Empfehlungen zur Diagnose und Therapie veröffentlicht

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat Konsensus-Empfehlungen zur Diagnose und Therapie von Prolaktinomen entwickelt und kürzlich veröffentlicht. Die Empfehlungen sind das Ergebnis eines multidisziplinären Workshops, der von der „International Pituitary Society“ finanziert wurde. Maßgeblich beteiligt war unter anderen der Hamburger Endokrinologe Professor Stephan Petersenn. Die Empfehlungen sind im Fachmagazin „Nature Reviews Endocrinology“ publiziert.

Etwa zehn Prozent aller intrakraniellen Raumforderungen sind Hypophysenadenome, wie Charlotte Schedlich-Teufer und Dr. Nina N. Kleineberg von der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Uni Köln erläutern.

Mit einem Anteil von 50 Prozent bei Frauen wie Männern handelt es sich bei Prolaktinomen um den häufigsten Hypophysentumor. Die Prävalenz symptomatischer Prolaktinome beträgt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie etwa 25-63/100.000, die Inzidenz 2-8,2/100.000/Jahr.

Hypophyenadenome wie das Prolaktinom können intra-, supra-, parasellär wachsen. Rund 60 Prozent der Adenome seien endokrin aktiv. Symptome bei einem Hypophysenadenom sind laut den Kölner Neurologinnen Kopfschmerzen und Gesichtsfelddefekte (bitemporale Hemianopsie), seltener Augenmuskelparesen, Sinus-cavernosus- Syndrome, Verschlusshydrozephalus, oder Diabetes insipidus bei Ausfall des Hypophysenhinterlappens. Symptome bei Polaktinomen seien Libidoverlust, Galaktorrhö, Fertilitätsstörungen; Potenzstörungen, Gynäkomastie und sekundäre Amenorrhö.

Trotz der relativen Häufigkeit werde, so Petersenn, die Behandlung sehr uneinheitlich gehandhabt – die Betreuung erfolge unter anderem bei Endokrinologen, Gynäkologen, Urologen, Neurochirurgen und Hausärzten. Dabei haben sich laut dem Hamburger Endokrinologen die diagnostischen und therapeutischen Behandlungspfade in den letzten Jahren stetig verfeinert, teils auch erheblich verändert.

In der Publikation wird unter anderem auf die Vor- und Nachteile der verbreiteten medikamentösen Therapie mit Dopaminagonisten eingegangen; zudem werden, wie Petersenn erklärt. Besonderheiten bei speziellen Patienten-Gruppen (in der Schwangerschaft, bei Kindern und Jugendlichen, in der Menopause, und speziell bei Männern) sowie bei speziellen Adenomtypen (unter anderem zystische, gemischte, aggressive Prolaktinome) besprochen.

Von großer klinischer Relevanz hätten folgende Aspekte, berichtet Petersenn in einem aktuellen Blog der DGE: 

1. So würden immer wieder Patienten mit diskret erhöhten Prolaktin-Spiegeln vorgestellt, verunsichert durch die bereits benannte Diagnose eines Prolaktinoms;  zudem seien auch schon MRT-Aufnahmen gemacht worden. Hierzu werde in dem Consensus-Statement der diagnostische Pfad dargestellt, der zunächst einmal den Ausschluss der vielen differentialdiagnostisch zu berücksichtigenden Ursachen einer Hyperprolaktinämie vorsehe; dazu zählten etwa der Stress der Blutentnahme und verschiedene Medikamente mit dopaminantagonistischer Wirkung.

2. Viele Patienten mit stabilen Prolaktin-Spiegeln unter medikamentöser Therapie oder nach Operation würden dennoch teils jährlich erneut im MRT untersucht. Hierzu werde von den Autoren der Empfehlungen. klargestellt, dass ein Wachstum des Adenoms bei stabilen Prolaktin-Spiegeln eine Rarität sei und eine radiologische Diagnostik nach Nachweis des Therapieansprechens nur bei typischen Lokalsymptomen oder Anstieg der Prolaktin-Spiegel notwendig ist.

3. Die Verfügbarkeit der Dopaminagonisten hat, wie Peteresenn weiter erläutert, zu einer Abkehr von der neurochirurgischen Adenom-Behandlung zu einer weit überwiegenden medikamentösen Therapie geführt. Mit über die Jahrzehnte zunehmender Erfahrung seien jedoch Nebenwirkungen deutlich geworden, die in ihrer klinischen Relevanz bei langjähriger Therapie bisher nicht abschließend geklärt seien (unter anderem Endokardfibrosen/Herzklappenveränderungen sowie seltene Zwangshandlungen). Hierzu würden in dem Consensus-Statement einerseits Kriterien für wiederkehrende Auslaßversuche der dopaminagonistischen Therapie genannt, zudem aber auch der Stellenwert der Operation besonders bei Mikroprolaktinomen betont. Bei den hohen Kontrollraten von >80% bei Mikroprolaktinomen und erfahrenen Neurochirurgen sollten die Patienten auch über diese Therapieform aufgeklärt werden und informiert ihre Entscheidung treffen, betont der Hamburger Endokrinologe. Bei den meisten Patienten seien Dopaminagonisten hochwirksam; selten komme es zu einer Caber-Golin-Resistenz. Aufgrund der unerwünschten Wirkungen einer Langzeittherapie mit Dopaminagonisten sei es jedoch gerechtfertigt, alternative Strategien zur medikamentösen Therapie zu erforschen. Forschungsbedarf bestehe auch zur Behandlung von Patienten mit refraktärem Prolaktinom.