Prävalenz von Hepatitis, HIV und Tuberkulose bei Wohnungslosen in Berlin
- Andrea Hertlein
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Wohnungslose Menschen in Berlin sind im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung wesentlich häufiger an Infektionen wie Hepatitis B, Hepatitis C, HIV und Tuberkulose erkrankt. Das geht aus den ersten Ergebnissen der Querschnittsstudie POINT hervor, die das Robert Koch-Institut (RKI) in Kooperation mit Fixpunkt und BeSog Berliner Sozialprojekte initiiert hat.
Dazu erhob das Studienteam zwischen dem 3. Mai und 4. Juni 2021 Daten von insgesamt 223 wohnungslosen Menschen an drei Standorten in Berlin. Die Teilnehmenden wurden allgemeinmedizinisch untersucht, ihre Blut- und Urinproben analysiert und ein fragebogenbasiertes Interview zu infektionsrelevantem Verhalten und Lebensumständen geführt.
HBV. HCV, HIV und STI um ein Vielfaches höher
Während in der Allgemeinbevölkerung von einer HBV-Prävalenz von 0,3 Prozent ausgegangen wird, lag die Häufigkeit für eine aktive HBV-Infektion bei den untersuchten Wohnungslosen bei 1,9 Prozent. Von den Teilnehmenden hatten außerdem 17 Prozent bereits eine HBV-Infektion durchgemacht. Auch die Prävalenz für eine aktive HCV-Infektion mit nachgewiesener HVC-RNA war mit 16 Prozent deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung (0,1 %). Fast ein Viertel der Teilnehmenden wiesen HCV-Antikörper im Sinne eines früheren oder aktuellen Kontaktes mit dem Virus auf.
Die Rate an HIV unter den Wohnungslosen in Berlin betrug 2,8 Prozent gegenüber 0,1 Prozent in der Allgemeinbevölkerung. Auch für die latente Tuberkulose (LTBI) lag die in der Pilotstudie ermittelte Prävalenz von 14 Prozent über der für Deutschland als TB-Niedriginzidenzland geschätzten LTBI-Prävalenz von 3 bis 5 Prozent. Bei 6,4 Prozent der getesteten Teilnehmenden wurde außerdem mindestens eine behandlungswürdige bakterielle sexuell übertragbare Infektion (STI) diagnostiziert.
Haft- und Drogenerfahrungen als Hauptrisikofaktoren
Die Angaben zur Lebensweise bestätigen, dass Wohnungslose ein hohes Risiko für sexuell und durch Blut übertragbare Infektionen aufweisen. Vor allem Haft- und Drogenerfahrung als Risikofaktoren für HCV spielen hier eine wesentliche Rolle, betonen die Autoren. So gaben von allen Teilnehmenden 72 Prozent an, mindestens einmal im Leben Drogen konsumiert zu haben. Fast die Hälfte berichtete von intravenösem Drogengebrauch in den zurückliegenden 30 Tagen. Auch über mindestens einen Haftaufenthalt berichteten 71 Prozent der befragten Wohnungslosen in Berlin.
Besserer Zugang zu Prävention, Testung und Behandlung
Zudem zeigen die Daten, dass ein hoher Bedarf besteht, den Zugang von Wohnungslosen zu Prävention, Testung und Behandlung der untersuchten Infektionserkrankungen zu verbessern. Die Autoren schlagen verschiedene Möglichkeiten vor. Darunter fordern sie etwa einen vereinfachten Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung bzw. die unbürokratische Möglichkeit einer Kostenübernahme etwa für HCV- und HIV-Behandlungen sowie eine enge Vernetzung von Drogen-/Wohnungslosenhilfe mit der klinischen Infektiologie. Genauso sollen kostenfreie, mehrsprachige Präventions- und Testangebote, wie zum Beispiel Safer-Use- und Safer-SexMaterialien (z.B. Spritzen- und Kondomvergabe), unbürokratische HBV-Impfungen und anonyme HCV- und HIV-Schnelltestungen mögliche Hürden der Betroffenen abbauen.
Um jedoch tatsächlich eine Aussage über die gesundheitliche Situation von Menschen in Wohnungslosigkeit in Deutschland machen zu können, sei eine bundesweite Erhebung notwendig, betonen die Autoren.
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