Pilotstudie: Vierbeinige Schnüffler erkennen angeblich sogar Post-COVID-Patienten

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften 

Hunde können womöglich nicht nur Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionen erkennen, sondern auch Menschen, die nach der akuten Erkrankung weiterhin Symptome haben. Dies lasse eine Pilotstudie von Forschern unter der Leitung der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) schlussfolgern, so eine Mitteilung der Stiftung. 

Hunde riechen vermutlich flüchtige organische Verbindungen

„Diese Studie ist ein weiterer Beweis für das Potenzial, dass Spürhunde bei der Untersuchung der Pathophysiologie von COVID-19 Patienten haben könnten“, kommentiert Erstautorin Dr. Friederike Twele die Studie in der Mitteilung. Es sei zwar schwer vorstellbar, aber die Geruchserkennung von Hunden sei um drei Größenordnungen empfindlicher als die derzeit verfügbaren Geräte, ergänzt die Tierärztin und Neurowissenschaftlerin.

Die Ergebnisse unterstützten die Hypothese, dass flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) nach der Erstinfektion langfristig bei Post-COVID-19-Patienten vorhanden seien. VOC werden von SARS-CoV-2-infizierten Körperzellen im Verlauf dieser komplexen Krankheit freigesetzt. „Basierend auf diesen Ergebnissen denken wir, dass weitere Studien mit medizinischen Spürhunden zur Pathophysiologie von Long-COVID die Zusammensetzung und den zeitlichen Verlauf spezifischer VOC-Muster miteinschließen sollten“, sagt Professor Dr. Holger Volk, Leiter der Klinik für Kleintiere der TiHo.

Wie das Team um Twele berichtet, hätten in der Pilotstudie Hunde, die zuvor mit Proben SARS-CoV-2-infizierter Personen trainiert worden seien, auch die Proben von Post-COVID-19-Patienten erkannt. Die Hunde riechen nach Angaben der Forscher nicht die Viren selbst, sondern flüchtige organische Verbindungen, die bei einer Virusinfektion durch Stoffwechselvorgänge entstehen. Dies könnte auf eine persistierende Infektion oder andere langandauernde metabolische Veränderungen bei Post-COVID-19 Patienten hindeuten.

Hohe Werte für Sensitivität und Spezifität

Frühere Forschungen haben bereits gezeigt, dass Hunde in der Lage sind, eine akute SARS-CoV-2-Infektion zu erkennen. Noch nicht bekannt war, ob Hunde auch Proben von Patienten mit Long-COVID anzeigen. In der aktuellen Studie wurden Hunde verwendet, die zuvor darauf trainiert wurden Proben von akuten COVID-19-Patienten zu erkennen. In zwei Testszenarien wurden die Hunde mit Proben von Post-COVID19-Patienten konfrontiert. Wenn ihnen die Post-COVID-19-Proben im Vergleich zu negativen Kontrollproben gesunder Personen präsentiert wurden, zeigten sie diese mit hoher Sensitivität an. Dagegen zeigten die Hunde Vergleichsproben von akuten COVID-19-Patienten eher als positiv an als Post-COVID-19 Proben. Im Testszenario I (akute SARS-CoV-2 Proben versus Post-COVID-19 Proben) erreichten Hunde für die akute SARS-CoV-2-Infektion eine mittlere Sensitivität von 86,7 Prozent und eine Spezifität von 95,8 Prozent. Wurden die Hunde für Szenario IIa mit Post-COVID-19 und negativen Kontrollproben konfrontiert, erreichten die Hunde für Long-COVID Proben eine mittlere Sensitivität von 94,4 Prozent und eine Spezifität von 96,1 Prozent. Im Vergleich dazu: Hunde, mit denen akute SARS-CoV-2 Proben mit negativen Kontrollproben verglichen (Szenario IIb) wurden, zeigten eine mittlere Sensitivität von 86,9 Prozent und eine Spezifität von 88,1 Prozent.

Tests an mehreren Flughäfen mit Spürhunden für SARS-CoV-2

Auf der ganzen Welt sind in den vergangenen zwei Jahren Hunde darauf trainiert worden, den Geruch von COVID-19-Infektionen zu erkennen. Hundetrainer berichteten laut einem Bericht in „Nature“ von außergewöhnlichen Ergebnissen. Auch mehrere Forschungsteams haben seit Beginn der Pandemie getestet, ob Hunde COVID-19 durch ihren Geruchssinn erkennen können. Bei Experimenten an Flughäfen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Finnland und dem Libanon wurden Hunde eingesetzt, um COVID-19 in Schweißproben von Fluggästen aufzuspüren; diese wurden dann mit herkömmlichen Tests verglichen. Den auf einer Online-Tagung im November 2020 vorgestellten Daten zufolge sollen die Hunde in Finnland und im Libanon Infektions-Fälle bereits Tage vor dem Virus-Nachweis des Virus durch herkömmliche Tests erkannt haben; dies deute darauf hin, dass sie eine Infektion erkennen könnten, bevor Symptome aufträten, hieß es dazu im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Am Flughafen in Beirut zum Beispiel sollen speziell trainierte Spürhunde 1680 Passagiere untersucht und dabei 158 COVID-19-Fälle festgestellt haben, die durch PCR-Tests bestätigt worden seien. Den unveröffentlichten Ergebnissen zufolge hätten die Tiere negative Ergebnisse mit 100 %iger Genauigkeit und positive Fälle mit 92 %iger Genauigkeit erkannt.

Noch sind einige Probleme zu lösen

Unstrittig ist unter den Forschern, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse zu den Spürhunden recht positiv sind, die vierbeinigen Schnüffler aber sicher noch kein Ersatz für moderne diagnostische Verfahren ist. Auf die Grenzen der Spürnasen Wiesenunter anderen Holger Volk und seine Mitarbeiter letztes Jahr in einer Übersichtsarbeit hin: „Der Einsatz von biomedizinischen Spürhunden hat viele Vorteile und Möglichkeiten, aber auch einige Einschränkungen. Die Literatur zeigt, dass Spürhunde als Screening-Methode, insbesondere für Infektionskrankheiten, in Betracht gezogen werden können, aber bis zur Standardisierung und Validierung nicht als Ersatz für Standard-Diagnosemethoden angesehen werden dürfen.“ Damit biomedizinische Spürhunde für Screening-Untersuchungen eingesetzt werden könnten, müssten noch einige Aufgaben gemeistert werden, etwa die Standardisierung der Ausbildungs- und Einsatztechniken (Gewährleistung der Verallgemeinerbarkeit auf bestimmte Krankheitsstadien, symptomatische und asymptomatische Patienten) sowie die Reproduzierbarkeit innerhalb und zwischen den Spürhunden. 

 

Finanzierung: Das Projekt der Forscher um Holger Volk wurde vom COVID-19-Forschungsnetzwerk des Landes Niedersachsen (COFONI) mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (14-76403-184) unterstützt.