Pharmakogenetische Tests bei Patienten mit Depressionen erhöhen Remissionsrate nur kurzfristig

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Die Testung von Patienten mit Depressionen auf mögliche pharmakogenetische Wechselwirkungen hat den Anteil der Responder kurzfristig um etwa 25 % erhöht. Der Effekt hielt jedoch nur ein halbes Jahr an.

Hintergrund

Die Selektion des „besten“ Anti-Depressivums gegen schwere Depressionen ist wegen der Vielzahl unterschiedlicher Wirkstoffe und angesichts unterschiedlicher Patientencharakteristika eine große Herausforderung. Nach Angaben der Autoren liegen die Remissionsraten bei der ersten Therapie lediglich bei 30 %. Von der Berücksichtigung der genetischen Merkmale der Patienten (Pharmakogenetik) verspricht man sich bessere Resultate.

Design

Pragmatische randomisierte klinische Studie zum Vergleich einer Pharmakogenetik-geleiteten gegenüber einer Standardversorgung bei Depressionen (Major depressive disorder) mit 676 Klinikern und 1944 Patienten an 22 US-amerikanischen Militärkliniken. Die Patienten erhielten erstmals, oder wechselten zu, einer Behandlung mit einem einzigen Anti-Depressivum und wurden aufgeteilt in zwei Gruppen, von denen die eine gemäß den Ergebnissen eines kommerziellen pharmakogenetischen Tests (Myriad Genetics) behandelt wurde, während die andere Gruppe ihre Testergebnisse erst nach 24 Wochen Standardversorgung erhielt. Die Co-primären Studienziele waren der Anteil der Rezepte mit einer vorhergesagten pharmakogenetischen Wechselwirkung in den ersten 30 Tagen, sowie die Remission der depressive Symptome, definiert als Rückgang auf einen Wert von maximal 5 auf dem Patient Health Questionaire.

Ergebnisse

  • Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 48 Jahren, der Frauenanteil bei 25 %.
  • Ein Antidepressivum mit keinen, moderaten oder substanziellen pharmakogenetischen Wechselwirkungen erhielten:
    • in der experimentellen Gruppe 59,3 / 30,0 / 10,7 % gegenüber
    • in der Vergleichsgruppe 25,7 / 54,6 / 19,7 %.
  • Das Chancenverhältnis OR im Vergleich der beiden Gruppen für den Erhalt eines Antidepressivums, für das keine Wechselwirkung vorhergesagt wurde, gegenüber mittlerer oder starker Wechselwirkung betrug 4,32 (95%-Konfidenzintervall 3,47 – 5,39; P < 0,001). Die Chance für keine oder geringe versus substanzielle Wechselwirkungen betrug 2,08 (95%-KI 1,52 – 2,84; P = 0,005).
  • Während der ersten 24 Wochen waren die Remissionsraten bei Patienten mit pharmakogenetisch geleiteter Therapie höher (OR 1,28; 95%-KI 1,05 – 1,57; P = 0,02). Nach 24 Wochen war die Differenz allerdings nicht mehr statistisch signifikant. Es befanden sich hier 130 Pateinten in der ersten Gruppe und 126 in der zweiten Gruppe in Remission (P = 0,45).

Klinische Bedeutung

Die Berücksichtigung pharmakogenetischer Wechselwirkungen bei der Verschreibung von Antidepressiva hatte in dieser Studie nur einen kleinen Effekt, der nicht länger als ein halbes Jahr persistierte. Dies ist in Einklang mit der Mehrzahl der Studien, die bislang zu dieser Fragestellung publiziert wurden, bemerkt Kommentator Dan V. Iosifecu (New York). „Das Vertrauen in den Wert pharmakogenetischer Tests wird nicht größer“, schreibt er.

Finanzierung: US Department of Veterans Affairs.