Paxlovid: wirksam, aber weder ein Ersatz für die Impfung noch eine Schokolinse

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Nach der EMA-Empfehlung hat die EU-Kommission die Zulassung für das Corona-Medikament Paxlovid (Nirmatrelvir plus Ritonavir) erteilt. In diese orale Therapie vom US-Unternehmen Pfizer werden große Hoffnungen gesetzt, die im Wesentlichen auf den Zwischenergebnissen einer klinischen Studie beruhen. Es ist allerdings zu bedenken, dass es - wie bei jeder wirksamen Therapie - auch bei dieser unerwünschte Wirkungen geben kann. Insbesondere das Risiko von Wechselwirkungen sollte nicht unterschätzt werden, wie die Informationen der EMA dazu zeigen. Die Zulassung gilt nur für Erwachsene, da Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments bei unter 18-Jährigen nicht bekannt sind.

Ein möglicher „Gamechanger“?

Seit Wochen dreht sich in der Pandemie in Deutschland fast alles nur noch um Omikron, steigende Inzidenzen und um die Impfpflicht. Einige Beachtung erhalten allerdings auch orale Wirkstoffe wie Paxlovid und Molnupiravir, die nach bisherigen Studien-Daten teilweise sogar als mögliche „Gamechanger“ in der Pandemie angesehen werden. Solche antiviralen Medikamente, die innerhalb von wenigen Tagen nach Symptombeginn eingenommen werden müssen, könnten nach Ansicht von Wissenschaftlern einer breiten Masse von Menschen helfen. Wenn diese Wirkstoffe erschwinglich genug sind, könnten sie auch als eine Art „Sicherheitsnetz“ für Länder mit niedrigem Einkommen dienen, die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Impfstoffen haben und nur über begrenzte Krankenhaus-Ressourcen verfügen.

Das jetzt zugelassene Paxlovid ist kein völlig neuer Wirkstoff. Wissenschaftler des Unternehmens Pfizer entwickelten bereits 2003 eine Version des Wirkstoffs gegen ein Corona-Virus. Doch dann ebbte der damalige SARS-Ausbruch ab, das Projekt wurde auf Eis gelegt. 2020 stellten Wissenschaftler dann allerdings fest, dass der Wirkstoff SARS-CoV-2 stoppen könnte. Eine frühe Version wurde intravenös getestet; Pfizer entwickelte anschließend eine orale Darreichungsform. Das in Paxlovid enthaltene Nirmatrelvir hemmt die Coronavirus-3C-like-Virusprotease und so die Virus-Replikation. Der Enzym-Hemmer muss zusammen mit Ritonavir eingenommen werden, um hinreichende therapeutische Plasmaspiegel zu erreichen. Der Proteasehemmer Ritonavir wirkt dabei als potenter Hemmstoff von CYP 3A, über das Nirmatrelvir abgebaut wird.

Schutz vor Klinikaufenthalt und Tod

Wie Pfizer im November des vergangenen Jahres mitteilte, erwies sich Paxlovid in einer placebo-kontrollierten Studie als sehr wirksam: Das Risiko für einen COVID-19 bedingten Krankenhausaufenthalt oder Tod (primärer Endpunkt) sei um 89 Prozent reduziert worden, wenn das oral verabreichte Medikament innerhalb von drei Tagen nach Beginn der Symptome verabreicht worden sei. Aufgrund der positiven Ergebnisse wurde die Phase-2/3-Studie vorzeitig beendet. An der Studie mit dem Akronym EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in High-Risk Patients) nahmen nicht-hospitalisierte COVID-19-Patienten teil, deren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf als hoch eingeschätzt wurde. 

Laut Pfizer erreichten 0,8 Prozent der Patienten, die den neuen Wirkstoff erhielten, innerhalb von 28 Tagen nach der Randomisierung den primären Endpunkt (3/389 Krankenhauseinweisungen, keine Todesfälle). In der Kontroll-Gruppe habe dieser Anteil sieben Prozent betragen (27/385 Krankenhauseinweisungen mit sieben Todesfällen). Die statistische Signifikanz dieser Ergebnisse war hoch (p<0,0001). Ein ähnlicher Rückgang der COVID-19-bedingten Krankenhauseinweisungen oder Todesfälle wurde der Mitteilung zufolge bei Patienten beobachtet, die innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn behandelt wurden: In der Verum-Gruppe betrug der Anteil ein Prozent (6/607 Krankenhauseinweisungen, keine Todesfälle), in der Placebo-Gruppe 6,7 Prozent (41/612 Krankenhauseinweisungen mit zehn Todesfällen).

 

Die Zulassung sei erstmal eine gute Nachricht, kommentiert der Arzt und CDU-Europaabgeordnete Dr. Peter Liese in einer Mitteilung. Die Zulassung sei ein echter „Hoffnungsschwimmer“. Liese mahnte jedoch, dass Paxlovid keinesfalls als Ersatz für eine Impfung betrachtet werden solle. Liese: „Das sind keine Smarties. Die Nebenwirkungen sind erheblich, insbesondere in Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Jeder, der denkt, wegen der Nebenwirkungen durch Impfungen sollte man sich nicht impfen lassen, weil es ja jetzt auch ein Medikament gibt, liegt daher falsch. Die Impfung ist nach wie vor die wichtigste Maßnahme um schwere Verläufe zu verhindern und der Pandemie den Schrecken zu nehmen“, so Liese weiter. 

Worauf alles geachtet werden muss

Auf Kontraindikationen und mögliche Wechselwirkungen geht die EMA in ihrer Produktinformation ausführlich ein. Kontraindiziert ist Paxlovid demnach bei schwerer Leberfunktionsstörung, bei schwerer Nierenfunktionsstörung und bei Arzneimitteln, deren Clearance stark von CYP3A abhängt und bei denen erhöhte Konzentrationen mit schwerwiegenden und/oder lebensbedrohlichen Reaktionen verbunden sind. Der Proteasehemmer ist auch kontraindiziert bei Therapie mit Arzneimitteln, die starke CYP3A-Induktoren sind, bei denen signifikant reduzierte PF-07321332/Ritonavir-Plasmakonzentrationen mit dem Potenzial für den Verlust des virologischen Ansprechens und einer möglichen Resistenz verbunden sein können. Zu den Wirkstoffen, deren Anwendung zusammen mit Paxlovid kontraindiziert ist, zählen zum Beispiel Alfuzosin, Amiodaron, Astemizol, Terfenadin, Lovastatin, Simvastatin, Lomitapid und Sildenafil.

Die Einnahme während der Schwangerschaft oder ohne geeignete Verhütung wird von der EMA nicht empfohlen. Da Ritonavir die Wirksamkeit kombinierter hormoneller Kontrazeptiva beeinträchtigen kann, sollten Frauen eine alternative oder zusätzliche Methode zur Verhütung bis einen Menstruationszyklus nach Therapieende verwenden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten eine Schwangerschaft während der Behandlung mit Paxlovid vermeiden.