Nicht-operables Magenkarzinom: Der neue Antikörper Zolbetuximab verlängert das Überleben deutlich

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Ein neuer, gegen das Membranprotein Claudin18.2 gerichteter monoklonaler Antikörper senkt das Progressions- und Sterblichkeitsrisiko bei fortgeschrittenen Tumoren des oberen Verdauungstrakts. Das belegen die Ergebnisse der Phase-3-Studie SPOTLIGHT, in der Zolbetuximab plus Zytostatika mit Placebo plus Zytostatika als Erstlinientherapie bei nicht resezierbaren Karzinomen des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs verglichen wurde. Die Risikoreduktion beträgt 25 % (Lancet 2023; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00620-7). Es wird nun mit der europaweiten Zulassung von Zolbetuximab gerechnet.

Hintergrund

Das Magenkarzinom steht bei den krebsbedingten Todesursachen weltweit auf Platz 3. Ursachen für eine ungünstige Prognose sind die im Allgemeinen späte Diagnose und rasche Ausbreitung von Tumorzellen im Körper. In Deutschland überleben nur circa ein Drittel der Frauen und Männer mit Magenkrebs (alle Stadien) die Diagnose für 5 Jahre (1). Im Stadium IV mit irresektablem, zum Teil fernmetastasiertem Tumor beträgt das mediane Gesamtüberleben auch bei Behandlung mit Zytostatika maximal 1 Jahr. Zolbetuximab ist ein in Deutschland entwickelter „First-in-Class“ monoklonaler Antikörper (IgG1), der an das Protein Claudin18.2 bindet. Claudine sind eine Membranproteinefamilie, die in Endo- und Epithelien eine enge Verbindung zu Nachbarzellen herstellen und die Zellzwischenräume verschließen (tight junctions). Claudin18.2 wird auf circa 40 % der Her2-negativen Adenokarzinome des oberen Gastrointestinaltrakts exprimiert. Zolbetuximab induziert sowohl eine antikörper-, als auch eine komplementabhängige Zytotoxizität (ADCC/CDC). In der Phase-3-Studie SPOTLIGHT sind Effektivität und Sicherheit von Zolbetuximab in der Erstlinie beim Magenkarzinom Stadium IV und Placebo miteinander verglichen worden (2).

Design

  • Studienform von SPOTLIGHT: globale, randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Phase-3-Untersuchung von Zentren aus 20 Nationen inklusive Deutschland

  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Erwachsene mit unvorbehandelten, fortgeschrittenen, irresektablen Karzinomen des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs, deren Tumoren Claudin18.2-positiv waren (moderate bis starke Claudin18.2-Expression bei ≥ 75 % der Tumorzellen in der Immunhistochemie)

  • Therapie: Zolbetuximab (800 mg/m² i.v. zu Tag 1, gefolgt von 600 mg/m² jeweils an Tag 1 der übrigen Zyklen) plus mFOLFOX6 i.v. (modifizierte Folinsäure oder Levofolinat, Fluorouracil und Oxaliplatin) oder Placebo plus mFOLFOX6, jeweils bis zur Progression oder Unverträglichkeit

  • primärer Endpunkt: medianes progressionsfreies Überleben (PFS)

Hauptergebnisse

  • Es wurden 565 Patientinnen (35 %) und Patienten (65 %) aufgenommen und 1 : 1 in die beiden Behandlungsarme randomisiert. Das mediane Follow-up lag bei 13 Monaten.

  • Das PFS betrug median 10,61 Monate unter Zolbetuximab und 8,67 Monate im Placeboarm, eine signifikante Reduktion des Progressionsrisikos von Verum versus Placebo um 25 % (Hazard Ratio [HR] für Progression oder Tod: 0,75; p = 0,0066).

  • Nach 24 Monaten überlebten 24 % der Patienten mit Antikörpertherapie plus Chemotherapie progressionsfrei und 14 % unter Placebo plus Chemotherapie, nach 36 Monaten betrugen die Raten 21 % und 8 %.

  • Die Kaplan-Meier-Kurven des Gesamtüberlebens begannen sich ab Monat 9 voneinander zu trennen.

  • Das Sterblichkeitsrisiko wurde ebenfalls um 25 % reduziert (HR für Tod: 0,75; p = 0,0053). Unerwünschte Effekte von mindestens Grad 3 waren mit 87 % und 78 % (Verum, Placebo) häufig und in erster Linie Übelkeit, Erbrechen und verminderter Appetit.

  • Nebenwirkungen von Grad 5 traten bei 2 % der Patienten unter Zolbetuximab auf und bei 1 % der Patienten im Placeboarm.

Klinische Bedeutung

„Die Ergebnisse belegen, dass mit Zolbetuximab behandelte Patientinnen und Patienten länger leben“, fasst Florian Lordick die Ergebnisse zusammen (3). Lordick ist Direktor des Universitären Krebszentrums Leipzig und hat wesentlich an der Studie mitgewirkt.

Die klinische Bedeutung wird auch im Kommentar als hoch bewertet, allerdings mit dem Hinweis, dass sich die Kaplan-Meier-Kurven beim PFS und beim Gesamtüberleben erst nach 6-9 Monaten auseinanderentwickelt hätten (4). Dies bedeute, dass circa 20 % der Patienten bereits gestorben seien, bevor sie einen Benefit von der Antikörperbehandlung hätten haben können.

„Wir erwarten, dass die Daten der SPOTLIGHT-Studie zur Zulassung des Medikaments in Europa und damit auch in Deutschland führen wird“, sagt Lordick, „das wäre ein wichtiger Fortschritt.“ Nach der Einführung von Trastuzumab (Anti-Her2) vor 10 Jahren sei dies der zweite zielgerichtete Antikörper, der das Überleben von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs verlängern könne. Zudem etabliere die Studie einen neuen, klinisch-relevanten Biomarker beim Magenkarzinom, das Protein Claudin18.2.

Finanzierung: Astellas Pharma