Neue Medikamente gegen gynäkologische Malignome: okuläre toxische Effekte

  • Roxanne Nelson
  • Medizinische Nachrichten
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Antikörper-Wirkstoff-Konjugate ("antibody-drug conjugates", ADCs) sind relativ neu im Bereich gynäkologischer Krebserkrankungen. Obwohl sie vielversprechend sind, bedeuten die neuartigen okulären Nebenwirkungen, die mit dieser Medikamentenklasse verbunden sind, dass Ärzte lernen müssen, wie man diese Patienten überwacht und behandelt.

Dies war die Botschaft von Dr. Colleen Bohnenkamp, einer klinischen Onkologie-Apothekerin an der University of Kansas Health System, die auf einer Sondersitzung während der jüngsten Jahrestagung 2023 der Society of Gynecologic Oncology (SGO) zum Thema Krebs bei Frauen sprach.

Für Patientinnen mit fortgeschrittenen/rezidivierenden gynäkologischen Krebserkrankungen gibt es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten, und ADCs sind als gezielte, biomarkergesteuerte Therapien für diese Patientengruppe von Interesse. ADCs sind so konzipiert, dass sie zytotoxische Wirkstoffe direkt an den Tumor abgeben, indem sie Antikörper verwenden, die auf spezifische Proteine im Tumor abzielen, erklärte Bohnenkamp. "Die 'zytotoxische Nutzlast' ist nicht irgendeine Chemotherapie", betonte sie. "Es handelt sich um einen hochtoxischen Wirkstoff, der bei alleiniger Verabreichung tödlich wäre."

Bohnenkamp kommentierte, sie stelle sich ADCs gerne so vor, als tauchte man einen Dartpfeil in eine hoch tödliche Chemotherapie. "Wenn man die nötige Präzision hat, kann man damit das Ziel der Wahl treffen".

In den letzten 18 Monaten hat die FDA die ersten beiden ADC-Wirkstoffe für gynäkologische Krebserkrankungen zugelassen, so Bohnenkamp.

Der erste ADC, der im September 2021 zugelassen wurde, war Tisotumab-Vedotin (Tivdak, Genmab), ein auf Gewebefaktoren ausgerichteter Antikörper, der für Patienten mit rezidivierendem oder metastasiertem Zervixkarzinom mit Krankheitsprogression während oder nach einer Chemotherapie indiziert ist.

Ein Jahr später, im November 2022, wurde Mirvetuximab Soravtansin (Elahere, Immunogen) zugelassen. Dieses ADC verfügt über einen Antikörper, der auf den Folatrezeptor-alpha abzielt, und ist für die Behandlung von Tumoren indiziert, die eine hohe Expression dieses Proteins aufweisen, platinresistent epithelial sind und sich im Ovar, in der Tube oder im Peritoneum befinden, und zwar bei Patienten, die ein bis drei vorherige systemische Behandlungen erhalten haben.

Bohnenkamp wies darauf hin, dass beide Medikamente eine beschleunigte Zulassung auf der Grundlage einarmiger Studien erhalten haben. "Das bedeutet, dass die Zulassung von Phase-3-Studien abhängt, die derzeit durchgeführt werden", sagte sie.

Tisotumab-Vedotin

Tisotumab-Vedotin wurde auf der Grundlage der klinischen Studie innovaTV 204 zugelassen, einer multizentrischen, offenen, einarmigen Phase-2-Studie, an der 101 Patienten mit metastasiertem oder rezidiviertem Zervixkarzinom teilnahmen. Die Patienten erhielten Tisotumab-Vedotin in einer Dosis von 2 mg/kg (maximal 200 mg/Dosis) alle drei Wochen intravenös bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis zu inakzeptablen Toxizitäten.

Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 10 Monaten zum Zeitpunkt des Datenstopps hatten 24 Patienten ein objektives Ansprechen und sieben ein vollständiges Ansprechen. "Ich denke, das ist sehr beeindruckend für diese späte Erkrankungsphase", kommentierte Bohnenkamp. Die 6-Monats-Überlebensrate lag bei 79%, die mediane Gesamtüberlebensrate bei 12,1 Monaten und die mediane Zeit bis zum Ansprechen bei 1,4 Monaten. "Was die Sicherheit betrifft, so hatten 65% der Patienten eine geringgradige Toxizität und 27% eine hochgradige Toxizität", betonte sie. "Anders als bei der Chemotherapie sehen wir nicht viele hochgradige Zytopenien".

Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten Alopezie, Blutungen, Fatigue, Übelkeit, periphere Neuropathie und okuläre Toxizitäten. Zu den okulären Toxizitäten, die bei 53% der Patienten in der Studie auftraten, gehörten Konjunktivitis, trockenes Auge, Keratitis und Sehveränderungen mit seltenen Fällen von Hornhautulzerationen und schwerem Sehverlust. "Die Richtlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) empfehlen Tisotumab-Vedotin als bevorzugte Therapie bei Zweit- oder Folgetherapien", erklärte Bohnenkamp weiter.

Mirvetuximab Soravtansin

Mirvetuximab Soravtansin erhielt die Zulassung auf der Grundlage der einarmigen Phase-2-Studie SORAYA, in der die Sicherheit und Wirksamkeit bei platinresistentem epithelialen Ovarial-, Tuben- oder primären Peritonealkrebs untersucht wurde.

Die objektive Ansprechrate lag bei 32,4%, mit fünf kompletten und 29 partiellen Respondern, und bei 20 Patienten kam es zu einer Progression. Die mediane Ansprechdauer in dieser Population betrug 6,9 Monate und das progressionsfreie Überleben 4,3 Monate.

"Was die Sicherheit betrifft, so wiesen 89% der Patienten eine Toxizität beliebigen Grades und 29 % eine Toxizität von Grad 3 oder 4 auf", betonte sie. "Die häufigsten Toxizitäten waren okulär, und wir sehen bei diesem Medikament normalerweise keine Alopezie oder hohe Raten von hämatologischen Toxizitäten."

Mirvetuximab Soravtansin ist speziell für Patienten mit Tumoren indiziert, die eine hohe Expression des Folatrezeptor-alpha aufweisen, weshalb die Patienten getestet werden müssen, so Bohnenkamp. "Das ist kein Routinetest und er muss verschickt werden", sagte sie. "Derzeit gibt es vier Labore, die diesen Test durchführen."

In den NCCN-Richtlinien ist Mirvetuximab als bevorzugtes Regime für die zielgerichtete Therapie mit einem einzigen Wirkstoff aufgeführt. Und wie bei Tisotumab sind Bestätigungsstudien im Gange.

Okuläre Toxizitäten

Sowohl bei Tisotumab-Vedotin als auch bei Miretuximab Soravtansin treten häufig Nebenwirkungen am Auge auf, und die Beipackzettel beider Präparate enthalten Warnhinweise zur okulären Toxizität.

Diese können sich in Form von verminderter Sehschärfe, verschwommenem Sehen, Lichtempfindlichkeit, Rötung, Trockenheit und Reizung äußern, was zu einer Entzündung der Bindehaut oder Hornhaut führen kann.

Die Symptome lassen sich oft erkennen, bevor sie schwerwiegend werden, und dies ermöglicht eine frühzeitige Überweisung zur Behandlung, so Dr. Meghan Berkenstock, Professorin für Augenheilkunde am Wilmer Eye Institute der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore, Maryland. "Eine enge Kommunikation zwischen Onkologen und Augenärzten ist notwendig", sagte sie. "Patienten sollten an uns verwiesen werden, wenn sie Probleme haben. "Am wichtigsten ist jedoch die Koordinierung der Behandlung", betonte Berkenstock. "Das onkologische Behandlungsteam muss die Patienten auf okuläre Anzeichen und Symptome hin überwachen." Augen-Toxizität kann durch die Anwendung der empfohlenen Augenpflege-Strategien verhindert und gemildert werden, so die Ophthalmologin.

"Alle Patienten sollten sich vor der ersten Infusion einer augenärztlichen Grunduntersuchung unterziehen und diese vor der nächsten Infusion wiederholen", sagte sie. Außerdem sollten die Patienten angewiesen werden, während der Behandlung keine Kontaktlinsen zu tragen, um eine infektiöse Keratitis oder eine verstärkte Oberflächentrockenheit zu vermeiden, sagte sie. Prophylaktische steroidhaltige Augentropfen sollten vor Beginn der Infusion verabreicht und bei Tisotumab bis 72 Stunden nach der Infusion und bei Mirvetuximab bis zum 10. Tag weiterverwendet werden. "Patienten, die Steroidtropfen zur Symptombehandlung verwenden, müssen in Kontrolluntersuchungen auf eine Katarakt-Progression überwacht werden und sich einer regelmäßigen Kontrolle des Augeninnendrucks unterziehen", so die Expertin.

Während der Behandlung werden außerdem Tränenersatzmittel verwendet, um dem Auge Feuchtigkeit zuzuführen, erklärte sie. "Sie können je nach Bedarf vom Zeitpunkt der Infusion bis 30 Tage nach der letzten Dosis selbst appliziert werden."

Für Tisotumab sind außerdem vasokonstriktorische Augentropfen erforderlich, die vor jeder Infusion verabreicht werden, und während und nach der Infusion werden Kältepackungen aufgelegt, um den Blutfluss zu verringern.

 

Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.