Neudiagnosen von Brustkrebs in der COVID-19-Pandemie womöglich verzögert
- Michael Simm
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Eine unizentrische Qualitätssicherungsstudie mit überwiegend Brustkrebs-Patientinnen belegt einen Rückgang des Anteils maligner Neoplasmen, die in Stadium I erkannt wurden. Diese Veränderung fand zeitgleich mit dem Beginn der Schutzmaßnahmen am Anfang der COVID-19-Pandemie statt.
Hintergrund
Zu den möglichen „Kollateralschäden“ der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gehören verzögerte Diagnosen bei Krebserkrankungen. Bei Tumoren der Brust und des Darms ist gesichert, dass Diagnosen in einem späteren Krankheitsstadium mit einem schlechteren Gesamtüberleben einhergehen.
Design
Qualitätssicherungsstudie an der University of California San Diego. Verglichen wurde die Inzidenz früher und später Diagnosen von Brust- und Darmkrebs bei 522 Patienten (89,5 % weiblich) im durchschnittlichen Alter von 58,1 Jahren, bei denen 2019 und 2020 ein neuer Tumor festgestellt wurde, oder die eine Zweitmeinung einholten.
Ergebnisse
- Mit 1894 gegenüber 1915 war die Zahl neuer Patientenbesuche mit malignen Neoplasmen in den Jahren 2019 (vor der Pandemie) gegenüber 2020 fast gleich.
- Die Stadienverteilung über alle Patienten hinweg war ebenfalls ähnlich:
- In Stadium I wurden 2019 31,9 % diagnostiziert, im Jahr 2020 waren es 29,0 %. Das entspricht einen Chancenverhältnis OR von 1,15 (95%-Konfidenzintervall 1,00 – 1,32; P = 0,05).
- Im Stadium IV waren 2019 26,0 % der Patienten diagnostiziert worden, und 2020 26,4 % (OR 0,98; 95%-KI 0,84 – 1,13; P = 0,77).
- Nach dem Beginn der Pandemie sahen die Forscher einen numerischen, aber statistisch nicht signifikanten Rückgang von Patienten mit kolorektalen Karzinomen in Stadium I (8 versus 6 Personen, entsprechend 17,8 versus 14,6 %; P = 0,78). Der Anteil von Patienten in Stadium IV stieg von 6,7 auf 19,5 %. In absoluten Zahlen waren es aber nur 3 versus 8 Patienten, sodass sich auch hier keine statistische Signifikanz ergab.
- Beim Brustkrebs gab es insgesamt 436 Diagnosen, und es fand sich eine signifikante Abnahme des Anteils an Patientinnen in Stadium I von 63,9 auf 51,3 % (OR 1,67; 95%-KI 1,13 – 2,47; P = 0,008). Ebenfalls signifikant war die Zunahme von Diagnosen in Stadium IV von 1,9 auf 6,2 %, entsprechend 4 bzw. 14 Frauen (OR 0,33; 95%-KI 0,09 – 0,98; P = 0,04).
- Die Forscher merken an, dass dieser Trend sich fortgesetzt habe und in den letzten 3 Monaten der Untersuchung (Januar bis März 2021) nur noch 41,9 % der Neudiagnosen beim Brustkrebs in Stadium I waren, während der Anteil in Stadium IV weiterhin gestiegen ist auf 8 %.
Klinische Bedeutung
Die Untersuchung an einem einzigen Zentrum scheint die Befürchtung zu bestätigen, dass sich mit Beginn der COVID-19-Pandemie die Diagnose zweier häufiger maligner Neoplasmen verzögert haben könnte. Dies war allerdings aufgrund zu kleiner Fallzahlen nur für Brustkrebs eindeutig zu belegen. Da regional und national sehr unterschiedliche Maßnahmen ergriffen wurden, wären multizentrische Untersuchungen vermutlich besser geeignet, um die Auswirkungen auf die Patientenversorgung zu quantifizieren.
Finanzierung: Keine Angaben.
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