Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie veröffentlicht
- Dr. med.Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Kurz nach der europäischen Empfehlungen zum Bluthochdruck liegt nun auch die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie vor. Ähnlich wie die Leitlinie der European Society of Hypertension (ESH) ziele die NVL auf die Prävention von Endorganschäden ab, auch wenn der diastolische Zielwert der NVL etwas über dem der ESH liege, teilt die Deutsche Hochdruckliga mit.
Wie von Univadis berichtet, wurden kürzlich auf dem Kongress der „European Society of Hypertension“ (ESH) in Mailand die neuen Empfehlungen zum „Management der arteriellen Hypertonie“ vorgestellt. Eine der zentralen Empfehlungen lautet: Jede Patientin/jeder Patient sollte zunächst auf einen Wert unter 140/80 mmHg eingestellt werden. Das Ziel bei Menschen zwischen 18 und 64 Jahren sollte aber die Senkung auf Werte unter 130/80 mmHg sein. Eine weitere Senkung auf Werte auf unter 120/70 mm Hg sollte nicht angestrebt werden. Die neuen ESH-Empfehlungen wurden zeitgleich zur Präsentation auf dem Kongress im „Journal of Hypertension“ veröffentlicht.
Spielraum für eine patientenindividuelle Therapie
Der Zielwert für Patientinnen und Patienten mit Hypertonie, den die neue NVL angibt, beträgt <140/90 mmHg. „Ebenso wie die Leitlinie der ESH gibt die NVL dadurch Spielraum für eine patientenindividuelle Therapie“, erklärt der Mitteilung zufolge Professor Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Hochdruckliga. „Beide Leitlinien führen aus, dass bei jüngeren Menschen oder solchen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und auch bei Menschen, die eine striktere Einstellung tolerieren, eine Einstellung auf niedrigere Werte erfolgen sollte.“ Als Untergrenze haben die Autoren der NVL in Übereinstimmung mit der ESH-Leitlinie 120/70 mmHg definiert.
Markus van der Giet begrüßt die durchaus variablen und individualisierbaren Blutdruckziele beider Leitlinien, die einen praxisnahen Ansatz widerspiegle, denn oft sei es schon schwierig genug, den Blutdruck auf Werte unter 140/90 mmHg zu senken. „Striktere Werte und der damit verbundene Druck auf die Ärztinnen und Ärzte, die Betroffenen darauf einzustellen, führen im Endeffekt nur zu einer hohen Rate an Therapieabbrüchen. Mit der Einstellung auf unter 140/90 mmHg ist das kardiovaskuläre Risiko der Patientinnen und Patienten allerdings schon signifikant gesenkt, und dieser Wert kann von den meisten problemlos erreicht werden.“ Im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung, bei der die Patienten eingebunden werden sollen, könnten dann laut der NVL individuell niedrigere Zielwerte verabredet werden. „Die Einbindung der Patientinnen und Patienten in diesem Prozess ist entscheidend für die spätere Adhärenz“, betont der Internist.
Diskrepanz beim diastolischen Wert
Beim Vergleich der Zielwerte beider Leitlinien fällt allerdings eine Diskrepanz um 10 mmHg beim diastolischen Zielwert auf: Die NVL definiert 90, die ESH 80 mmHg. Professor Dr. Oliver Vonend, Mitglied im Vorstand der Deutschen Hochdruckliga, hält diesen Unterschied für wenig praxisrelevant – das Entscheidende für die kardiovaskuläre Risikosenkung sei der systolische Wert. Der Unterschied erkläre sich dadurch, dass die ESH-Leitlinie unter Beteiligung der internationalen nephrologischen Fachgesellschaften entstanden sei und ein erhöhter diastolischer Wert häufiger mit dem Vorliegen einer Nierenerkrankung assoziiert sei.
Ein etwas stärkere Hinwendung zur Niere wird in der europäischen Leitlinie auch bei der Abklärung der Endorganschäden bei Erstdiagnose der Hypertonie sichtbar. Beide Leitlinien legen großen Wert darauf, umfassend auf Endorganschäden zu screenen. Im Hinblick auf die Niere empfiehlt die ESH-Leitlinie bei allen Patienten mit Hypertonie außer der Erfassung der eGFR auch die Albumin-Messung im Urin. Die neue NVL Hypertonie empfiehlt diese Untersuchung ebenfalls – obligat bei Patientinnen und Patienten mit Hypertonie und gleichzeitig bestehender chronischer Nierenkrankheit (CKD). Bei Nierengesunden mit Bluthochruck wird die Analyse der Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio jedoch auch empfohlen – hier allerdings in etwas geringerer Empfehlungsstärke („sollte“ statt „soll“). „Das sind Nuancen in den Empfehlungen und wir verstehen beide Leitlinien als synergistisch. Die NVL beschreibt die ‚Pflicht‘, die ESH-Leitlinie die ‚Kür‘“, so Markus van der Giet.
Umgang mit hypertensiven Entgleisungen
Oliver Vonend begrüßt darüber hinaus als praxisrelevanten Mehrwert der NVL die Empfehlungen zum Umgang mit hypertensiven Entgleisungen. „Es ist wichtig, dass bei Werten über 180/110 mmHg ohne akute Begleitsymptome oder Vorliegen einer bekannten Endorganschädigung keine sofortige Krankenhauseinweisung erforderlich ist und auch keine kurzwirksamen sublingualen Medikamente verabreicht werden sollen. Denn nicht jede Entgleisung ist ein Notfall.“ Stattdessen laute die Empfehlung: Zuwarten, den/die Betroffene/n hinlegen und nach 30 Minuten eine weitere Kontrollmessung durchführen. Die orale Gabe der langwirksamen antihypertensiven Medikation wird hier empfohlen. Die Dauermedikation kann entsprechend angepasst werden. „So können viele unnötige Einweisungen vermieden werden.“
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