Nackenschmerzen, Schluckbeschwerden und erhöhte Entzündungsparameter

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Wenn ein Patient über starke akute Nackenschmerzen klagt, liegt die Diagnose Zervikalsyndrom nahe. Nicht immer ist die Ursache eine degenerativ veränderte HWS, wie die Krankengeschichte eines Patienten zeigt, die die Unfallchirurgin Dr. Olivia Mair und ihre Kollegen der TU-München schildern.  

Der Patient und seine Geschichte

Der 34-jährige Mann suchte die chirurgische Notaufnahme des überregionalen Traumazentrums auf, da er an akuten Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und Schluckbeschwerden litt. Die Schmerzen hätten etwa drei Tage zuvor begonnen, eine Trauma habe es nicht gegeben. In einem anderen Krankenhaus sei ein akutes Zervikalsyndrom diagnostiziert worden und der Patient mit Schmerzmitteln und einer weichen Halskrause entlassen worden. Die Beschwerden hätten sich jedoch nicht gebessert.

Die Befunde 

  • 185 cm großer, 80kg schwerer, kardiopulmonal stabiler, neurologisch unauffälliger Mann ohne Vorerkrankungen oder Eigenmedikation
  • HWS-Bewegungsumfang: in allen Ebenen stark eingeschränkt und stark schmerzhaft (VAS 9/10)
  • HWS-Palpation: kein paravertebraler Muskelhartspann oder Druckschmerz 
  • Durchblutung, Sensibilität und Motorik der oberen Extremitäten: unauffällig
  • Körpertemperatur 36,7 °C.
  • Entzündungsparameter erhöht (Leukozyten: 11,2Gpt/l, CRP: 8,0mg/dl (Referenzbereich: <0,5 mg/dl)) 
  • Weitere Laborparameter: unauffällig
  • Negativer PCR-Test für SARS-CoV-2, Influenza-A/B- und RS-Virus
  • Vorstellung in der HNO-Abteilung: keine Erklärung für die Schluckbeschwerden 
  • MRT des Halses mit KM: prävertebrale Flüssigkeitsansammlung ventral von C1–C5 ohne Verbindung zur HWS oder zum Retropharyngealraum sowie eine Kalzifikation ventral des Dens axis 
  • Seitliche Röntgenaufnahme: Bestätigung der prävertebralen Weichteilschwellung und der Kalzifikation

Diagnose: Retropharyngeale Tendinitis

Therapie und Verlauf 

  • Hochdosistherapie von NSAR (Diclofenac plus Paracetamol/Codein) in Kombination mit Pantoprazol 
  • Entlassung des Patienten nach Hause (ohne HWS-Krawatte) 
  • Verlaufskontrolle 5 Tage später: deutliche Schmerzreduktion (VAS 4/10), Bewegungsumfang der HWS fast normal. Die Schluckbeschwerden hätten nach Angaben des Patienten bereits nach drei Tagen vollständig sistiert, berichten die Unfallchirurgin und ihre Kollegen. 

Diskussion und Empfehlungen

Die retropharyngeale Tendinitis (akut kalzifizierende Tendinitis des M. longus colli) ist, wie die Autoren erklären, eine benigne und seltene Ursache für akute Nackenschmerzen. Etwa 120 Fälle seien bisher in der Fachliteratur berichtet worden; die Inzidenz werde auf ca. 0,5/100.000 Personen pro Jahr geschätzt. Verursacht werde die retropharyngeale Tendinitis durch Ablagerung von Hydro- xyapatit in den oberen Zügeln des M. longus colli. 

Die sogenannte „Hydroxyapatite deposition disease“ (HADD) sei eine gut bekannte Entität und könne in jeder Sehne des Körpers vorkommen. Am häufigsten seien hiervon jedoch die Schulter und die Hüfte betroffen. Die abgelagerten Hydroxyapatitkristalle verursachten dabei eine Entzündungsreaktion, was zu einem periinflammatorischen Ödem führe und auch von systemischen Reaktionen (z. B. Fieber, Leukozytose etc.) begleitet sein könne. Die genaue Ätiologie der HADD sei nicht abschließend belegt. 

Die Therapie-Optionen seien insgesamt begrenzt. In der Fachliteratur  empfohlen werde die hochdosierte Therapie mit NSAR, ggf. ergänzt durch oral verabreichte Steroide. Bei  Kontraindikationen für NSAR sei auch ein Therapieschema von Benzodiazepinen, Kortikosteroiden und Akupunktur vorgeschlagen worden.

Die gute Nachricht: Die retropharyngeale Tendinitis ist  zumeist eine vorübergehende Erkrankung; die Symptome lassen nach Angaben der Autoren nach  etwa sieben bis zehn Tagen nach.