Nach proximaler Venenthrombose wirkt auch eine mittelstarke Kompressionstherapie prophylaktisch

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Nach einer symptomatischen, proximalen tiefen Venenthrombose können auch 25-mm-Hg-Kompressionsstrümpfe zur Prophylaxe eines postthrombotischen Syndroms verwendet werden, wenn ein Patient stärkere Strümpfe nicht bereit ist zu tragen. Das ist das Fazit aus einer multizentrischen, prospektiv randomisierten Studie (1). Die europäischen Leitlinien empfehlen für die in der Studie untersuchte Patientenpopulation zwar eine Kompressionstherapie mit Andruckwerten zwischen 30 und 40 mm Hg (2). In Abwägung zwischen der Effektivität und der Compliance der Patienten aber sei bei geringer Akzeptanz der stärkeren Strümpfe auch ein leichterer Strumpf vertretbar.

Hintergrund

Bei bis zu 50 % der Patienten mit tiefer Venenthrombose (TVT) tritt ohne Prophylaxe ein postthrombotisches Syndrom (PTS) auf. Das Tragen von Kompressions-strümpfen reduziert randomisierten Studien zufolge das PTS-Risiko um 40-50 %. Die Kompressionstherapie kann Schmerzen und Beinödeme lindern und verbessert die venöse Hämodynamik. Bei proximaler TVT empfehlen die europäischen Leitlinien Kompressionstrümpfe, die unter dem Knie beginnen und einen Andruck im Fesselbereich zwischen 30 und 40 mm Hg haben (2). Das ist ein kräftiger Strumpf von Kompressionsklasse III. Viele Patienten haben Probleme, sich solche Strümpfe an- und auszuziehen, und derzeit wird diskutiert, ob ein Anpressdruck der Klasse III in dieser Indikation medizinisch wirklich notwendig ist - Fragestellung der französischen CELEST-Studie.

Design

  • Studienform: multizentrische, prospektiv randomisierte, doppelblinde Nicht-Unterlegenheitsstudie
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer: erwachsene Patienten mit der ersten symptomatischen proximalen TVT
  • Randomisierung: 1 : 1 in eine Gruppe, die für 2 Jahre 35-mm-Hg-Strümpfe der Kompressionsklasse (KKL) III tragen sollte, und in eine zweite Gruppe, die 25-mm-Hg-Kompressionsstrümpfe (KKL II; mittlerer Anpressdruck) erhielt.
  • Primärer Endpunkt war die kumulative PTS-Rate 2 Jahre nach Therapiebeginn. Ein PTS war definiert als Villalta-Score ≥ 5.

Hauptergebnisse

  • 341 Patientinnen und Patienten (68 % männlich) wurden randomisiert und von 249 lagen komplette Datensätze vor. Das mediane Follow-up lag bei 735 Tagen.
  • 31 % in der Gruppe mit 25-mm-Hg-Kompressionsstrümpfen und 33 % in der Gruppe mit 35-mm-Hg-Kompressionsstrümpfen hatten nach 2 Jahren ein PTS.
  • Das relative PTS-Risiko der Patienten mit mittelstarken Kompressionsstrümpfen betrug 0,93.
  • Die PTS-Risikorate blieb innerhalb der vorspezifierten Grenze für Nichtunterlegenheit.
  • Nach Adjustierung um fehlende Daten betrug das kumulative PTS-Risiko noch 29 % in der 25-mm-Hg-Gruppe und 35 % in der Gruppe mit kräftiger Kompression.
  • In der Gruppe mit mittelstarken Strümpfen hatten 14 von 129 Teilnehmern eine weitere proximale TVT (11 %) und in der Gruppe mit starkem Kompressionsdruck 10 von 120 Teilnehmern (8,3 %).
  • Eine gute Adhärenz, definiert als Tragen der Strümpfe zu ≥ 80 % der indizierten Zeiten, hatten 51 % in der 25-mm-Hg-Gruppe und 42 % in der Gruppe mit 35-mm-Hg-Strümpfen.

Klinische Bedeutung

Generell gilt bei Kompressionsstrümpfen: Es sollte immer die niedrigst wirksame Kompressionsklasse bevorzugt werden, und diese wäre für Patienten mit erster symptomatischer proximaler TVT den Daten der  CELEST-Studie nach die KKL II. Allerdings habe die Studie nicht die für eine sichere Aussage erforderliche Teilnehmerzahl rekrutieren können, so die Autoren (1).

Im begleitenden Editorial (3) heißt es, die Aussagekraft sei zusätzlich vermindert durch die geringe Rate jener Teilnehmer, die eine gute Adhärenz hatten (51 % und 42 %). Bei Klasse-II-Strümpfen betrage die Adhärenz in Studien im Allgemeinen ≥ 70 %.

Damit sei die CELEST-Studie vor allem ein Beleg dafür, dass Adhärenzprobleme bei dieser Therapie häufig aufträten und eine gute Adhärenz durch Hilfe Dritter beim An- und Ausziehen der Strümpfe organisatorisch sichergestellt werden müsse. Wenn sich aber die Compliance einer Patientin oder eines Patienten mit Strümpfen der KKL III auch durch optimales Management nicht verbessern lasse, sei die Verschreibung von Kompressionsstrümpfen der Klasse II vertretbar.