Muskel-Skelett-Erkrankungen - bei Orchestermusikern besonders weit verbreitet
- Stéphanie Lavaud
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
Für Orchestermusiker ist Leistung alles. Daher ist es kein Wunder, dass Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSD) - eine Realität für so viele dieser Berufsgruppe - nicht offen diskutiert werden. Körperliche Schmerzen werden oft verdrängt und nicht angesprochen, bis das Leiden eines Tages zu groß wird, die Spielfähigkeit beeinträchtigt ist und alle Bemühungen, die Probleme unter Verschluss und unter Kontrolle zu halten, in einem Burnout gipfeln.
Anne Maugue war eine der Rednerinnen auf dem 16. Kongress für Allgemeinmedizin der französischen Hochschule für Allgemeinmedizin (CMGF 2023). Maugue ist Postdoc-Forscherin an der Universität Côte d'Azur in Nizza. Außerdem spielt sie Flöte im Philharmonischen Orchester von Monte-Carlo. Mit ihrem Vortrag vor den Ärzten wollte sie das Bewusstsein für Muskel- und Skeletterkrankungen bei Berufsmusikern sowie für die damit verbundenen psychosozialen Risikofaktoren schärfen. Mauge: "Wenn diese Schmerzen früh genug erkannt werden, können sie oft erfolgreich behandelt werden.“
Hohe Prävalenz
"Sie sind Geiger in einem großen Sinfonieorchester. Es ist Sonntagabend, 8 Uhr, und Sie kommen gerade von der Bühne. Vor ein paar Minuten spürten Sie einen stechenden Schmerz in Ihrem rechten Arm - ein Schmerz, der jetzt schon erdrückend ist. Der Dirigent hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie nicht fokussiert und unkonzentriert waren. Sie wissen, dass Sie in ein paar Stunden, am Montagmorgen, eine weitere Probe haben. Was können Sie also tun - außer zu hoffen, dass die Schmerzen bis dahin verschwunden sind? Wohin können Sie sich wenden, um Hilfe zu bekommen?" Mit diesem Eröffnungsszenario gelang es Maugue, die Teilnehmer sofort mit der Realität vertraut zu machen, mit der Berufsmusiker konfrontiert sind.
Schmerzen sind alles andere als anekdotisch. In professionellen Orchestern liegt die Prävalenz in einem Zeitraum von 12 Monaten zwischen 41 % und 93 %. "Ein Spitzensportler hat ein komplettes Trainingsteam, auf das er zurückgreifen kann. Einem Spitzenmusiker hingegen steht in der Regel nur sein Hausarzt zur Verfügung - vorausgesetzt, er wendet sich überhaupt an einen Arzt.“
"Tatsache ist, dass sich Musiker meist erst dann um Schmerzen kümmern, wenn sie chronisch sind, wenn sie Beschwerden verursachen, die das Musizieren beeinträchtigen", so Maugue.
Wie lässt sich dieses Problem also bewerten? In einer dänischen Studie bewerteten Musiker ihre Muskel-Skelett-Beschwerden der vorangegangenen 7 Tagen. Als die Forscher diese Berichte mit den Ergebnissen einer klinischen Untersuchung verglichen, stellten sie fest, dass die Prüfer nicht in der Lage waren, die Musiker zu identifizieren, die über Probleme berichteten. Und warum? Weil eine Diagnose weder Schweregrad noch Auswirkungen widerspiegelt, die beide subjektiv sind.
"Wenn ein Musiker Schmerzen erlebt, ist seine erste Reaktion die Verleugnung", so Maugue. "Der Schmerz wird oft auf etwas anderes zurückgeführt als auf die körperlichen Gegebenheiten beim Spielen ihres Instruments. Sie versuchen sich dann in Selbstbehandlung oder wenden sich an Kollegen. Erst viel später konsultieren sie einen Arzt". Infolgedessen ist sich der Arzt nur selten der psychischen Belastung des Musikers bewusst und weiß nicht, wie lange die Schmerzen schon bestehen.
Arbeitsumgebung
Das ständige Herumtragen eines Instruments und eine unergonomische Körperhaltung über längere Zeit sind nur zwei der Faktoren, die für Berufsmusiker das Risiko für körperliche Schmerzen erhöhen. Nicht zu vergessen, fügte Maugue hinzu, sind auch die arbeitsbedingten Belastungen. Musiker sind nicht immun gegen Probleme mit ihrem Arbeitsumfeld. Sie können das Gefühl haben, dass sie nicht die benötigten Ressourcen, die angemessene Anerkennung durch ihre Vorgesetzten oder die Unterstützung durch ihre Kollegen erhalten. Letztlich können solche Situationen ein Gefühl der Ungerechtigkeit hervorrufen - und das wirkt als Stressor, der zu MSD führen kann.
Ein Beleg für dieses Phänomen sind die Ergebnisse einer Studie, die Maugue durchgeführt hat. Von 440 französischen Orchestermusikern (44 % Frauen) gaben 64 % an, in den vorangegangenen 12 Monaten bzw. 61 % in den vorangegangenen 7 Tagen MSD-bedingte Schmerzen gehabt zu haben.
Mit arbeits- und organisationspsychologischen Messskalen konnte Maugue durch hierarchische Regression zeigen, dass "emotionale Erschöpfung und MSD-bedingte Schmerzen auftreten, wenn das Arbeitsumfeld ein Gefühl der Ungerechtigkeit hervorruft".
Frühe Erkennung
Schließlich ermutigte Maugue die Allgemeinmediziner, jeden Patienten zu fragen, ob er ein Musikinstrument spielt. Wenn die Antwort "Ja" lautet, sollten sie sich ein Bild von eventuellen Schmerzen im Rücken, im Nacken und in den oberen Extremitäten machen, damit eine sofortige Behandlung erfolgen kann.
"Es gibt weitere Studien, die darauf abzielen, die instrumentelle Aktivität besser zu charakterisieren und ein effektiveres Management durch sportmedizinische Abteilungen zu ermöglichen", so Maugue. "Aber zurück zu den Patienten mit MSD. Es ist wichtig, alles über ihr Musizieren zu wissen. Wo üben sie? Wie oft üben sie? Wie ist ihre Haltung, wenn sie spielen? Wie ist das Tempo der Musik, an der sie arbeiten? Denn was wir bei Profimusikern beobachten, ist wahrscheinlich auch bei Amateurmusikern zu beobachten - insbesondere bei jungen Leuten, die an einer Musikhochschule studieren", wo nicht viel zur Vorbeugung von MSD getan wird.
"Wenn Berufsmusiker frühzeitig behandelt werden, kann die Hälfte von ihnen dauerhaft geheilt werden", schloss sie. "Und dann können sie, genau wie Spitzensportler, sofort wieder mit dem Musizieren beginnen.
Dieser Artikel wurde aus der französischen Ausgabe von Medscape übersetzt.
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