Multiresistente Acinetobacter-Stämme vor allem in Klärschlämmen von Klinikabwässern

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Multiresistente Acinetobacter-Stämme, die resistent sind gegenüber dem Reserveantibiotikum Carbapenem, gelangen über Klinikabwässer in deutsche Kläranlagen. Die Abwässer von Nutztierbetrieben und aus städtischen Gebieten, in denen keine Krankenhäuser liegen, weisen zwar Acinetobacter-Stämme mit einer hohen genetischen Variationsbreite auf. Diese aber sind empfindlich gegenüber Antibiotika wie Ceftazidim, einem Cephalosporin der 3. Generation, Piperacillin, Ciprofloxacin, Colistin und gegenüber Carbapenemen.

Hintergrund

Acinetobacter-Spezies (spp.) sind gram-negative Bakterien, die in der Umwelt vor allem im Erdboden und im Wasser vorkommen. Carbapenem-resistente Acinetobacter-Stämme (CRAb) haben sich inzwischen weltweit verbreitet und sind als Verursacher nosokomialer Ausbrüche ein Public-Health-Problem, auch in Deutschland (1, 2). Beatmungsassoziierte Pneumonien und katheterassoziierte Blutstrominfektionen (Sepsis) sind typische Manifestationen im Krankenhaus. Da Carbapeneme in Deutschland zu den Reserveantibiotika gehören, sind die Behandlungsoptionen bei Infektionen durch CRAb deutlich eingeschränkt. Ein Team am Institut für Angewandte Mikrobiologie der Universität Gießen hat Abwässer von Kläranlagen im ländlichen und städtischen Raum mit und ohne Krankenhäuser im Einzugsgebiet auf Acinetobacter spp.untersucht (3).

Design

  • Mikrobiologische Untersuchungen auf A.-Spezies in Gülle, Biogasanlagen und Faultürmen von Nutztierbetrieben sowie Klärschlämmen ländlicher und städtischer Abwasserreinigungsanlagen mit und ohne Krankenhäuser im Einzugsbgebiet
  • phäno- und genotypische Charakterisierungen der Acinetobacter-Stämme mit Schwerpunkt auf Antibiotikaempfindlichkeit und -resistenzen

Hauptergebnisse

  • 132 Acinetobacter-Stämme wurden genauer untersucht, es fand sich eine hohe genetische Variationsbreite.
  • So hatten 20 % der Stämme bislang unbekannte genetische Sequenzen, davon die meisten aus Abwässern von Nutztierbetrieben (Rinder, Schweine, Geflügel).
  • Die A.-Stämme in Abwässern des ländlichen und städtischen Raums ohne Zuleitung von Krankenhäusern oder veterinärmedizinischen Kliniken waren empfindlich gegenüber Ceftazidim, Piperacillin, Ciprofloxacin, Colistin und gegenüber Carbapenemen.
  • Dagegen wiesen Acinetobacter-baumannii-Isolate aus Kläranlagen, die auch Klinikabwässer aufbereiten, multiresistente Stämme auf, die vermindert sensibel oder unempfindlich gegenüber Antibiotika waren, darunter Carbapeneme.

Klinische Bedeutung

Multiresistente Acinetobacter-Spezies mit Resistenzen gegen das Reserveantibiotikum Carbapenem finden sich vor allem in Abwässern und Klärschlämmen von deutschen Krankenhäusern.

Noch aber ist den Studienautoren zufolge unklar, ob von solch resistenten Bakterien in gereinigtem Abwasser und Klärschlamm ein konkretes Risiko für den Menschen ausgeht, wie lange sie zum Beispiel in der Umwelt überdauern können und wie sie mit anderen Bakterien Resistenzen austauschen.

Untersuchungen zum Umweltverhalten dieser Bakterien seien notwendig und klinisch relevant (3).

In Deutschland sind Ausbrüche mit Acinetobacter seit 2016 meldepflichtig und seit 2019 gilt dies für alle Spezies von Acinetobacter, nicht nur für solche aus dem so genannten A. baumannii-Komplex. Die Meldepflicht besteht sowohl für Infektionen, als auch für Kolonisationen (1). Die Inzidenzen in Deutschland sind am höchsten bei Erwachsenen ab 60 Jahren. Männer sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung