Multiple Sklerose - ein Diagnose-Problem
- Nancy Melville A.
- Konferenzberichte
Kernbotschaften
Nach wie vor gibt es keinen zuverlässigen Biomarker für Multiple Sklerose (MS). Fehldiagnosen sind daher ein häufiges und anhaltendes Problem, das Patienten potenziell einem längeren und unnötigen Risiko aussetzt. Experten warnen, dass falsch-negative Diagnosen zu einer verzögerten Therapie führen und falsch-positive Diagnosen das Risiko eines möglichen Schadens durch eine unnötige Behandlung mit sich bringen.
"MS hat ein Problem mit Fehldiagnosen", erklärte Patricia Coyle, Professorin für Neurologie (Stony Brook University, New York) bei ihrem Vortrag auf der Jahrestagung 2023 des Konsortiums der Multiple-Sklerose-Zentren (CMSC) zu diesem Thema. "Wir verfügen derzeit über keinen diagnostischen Biomarker-Test, obwohl gerade die Diagnose entscheidend ist. Wenn man sich irrt, kann das wirklich ein Problem sein."
Jüngste Forschungsergebnisse deuteten darauf hin, dass die Fehldiagnose von MS ein weit verbreitetes Problem sei. So wurde in einer dieser Studien berichtet, dass bei fast 20 % der Patienten eine MS-Fehldiagnose gestellt wurde und dass mehr als die Hälfte der Betroffenen mindestens drei Jahre lang unter dieser Fehldiagnose litten. Bei 5 % der Patienten blieb die falsche Diagnose 20 Jahre lang oder länger bestehen.
Eine kürzlich durchgeführte argentinische Studie beleuchtet einige der Hauptmerkmale von Fehldiagnosen. In dieser Untersuchung wurde eine Kohorte von 572 MS-Patienten ausgewertet und festgestellt, dass bei 16 % der Patienten fälschlicherweise MS diagnostiziert wurde. Bei Frauen war das Risiko einer Fehldiagnose 83 % höher als bei Männern.
Außerdem zeigte die Studie, dass die Zahl der MS-Fehldiagnosen mit jedem Jahr höheren Alters um 8 % zunahm. Zerebrovaskuläre Erkrankungen, ein radiologisch isoliertes Syndrom und Kopfschmerzen stellten die häufigsten bestätigten Diagnosen bei denjenigen dar, bei denen ursprünglich eine MS-Fehldiagnose gestellt worden war.
In der genannten Studie wiesen die meisten (83 %) der fälschlicherweise mit MS diagnostizierten Patienten ein atypisches Krankheitsbild auf, das nicht auf eine Demyelinisierung hinwies. Bei 70 % der Patienten zeigte sich atypische MRT-Bilder des Gehirns. 61 % erhielten eine Verschreibung für eine krankheitsmodifizierende Behandlung (DMT), obwohl keine MS bestätigt wurde.
Solche Fehldiagnosen und falsche Therapien können besonders gefährlich sein, wenn Patienten mit MS diagnostiziert werden, obwohl sie in Wirklichkeit an einer Neuromyelitis optica spectrum disorder (NMOSD) leiden, die häufig mit MS verwechselt wird, wie Coyle erklärte. "Mehrere MS-DMTs verschlimmern NMOSD. Außerdem gibt man dem fehldiagnostizierten Patienten im Grunde ein unnötiges und ungeeignetes Medikament mit potenziellen Nebenwirkungen", sagte sie.
Bei der MRT-Diagnose von MS seien einige Fortschritte erzielt worden, doch gibt es laut Coyle eine ganze Reihe von Vorbehalten. Sie weist darauf hin, dass beispielsweise die leptomeningeale Anreicherung als MS-Diagnoseindikator in Betracht gezogen wird, aber diese nicht einzigartig für MS sei. Weiterhin sei die subpiale Demyelinisierung MS-spezifisch, aber sie sei schwer zu erkennen und werde oft übersehen, fügte sie hinzu.
Das Zentralvenenzeichen (ZVZ) habe als ein bedeutender MRT-Marker für MS beträchtliche Beachtung gefunden, aber, so Coyle, es ist "noch nicht reif für den großen Auftritt ... Es ist ziemlich mühselig und man muss spezielle Protokolle verwenden, um es zu identifizieren", erklärte die Wissenschaftlerin. In der Zukunft könnten künstliche Intelligenz und Deep Learning der Schlüssel zur Verbesserung einiger dieser Technologien sein, so Coyle.
Beste Chancen auf eine exakte Diagnose
In der Zwischenzeit bietet die Liquor-Untersuchung nach Coyles Ansicht die beste Aussicht auf eine zuverlässige MS-Diagnose und wird daher von ihr bevorzugt. "Ich persönlich halte diese Untersuchung für äußerst hilfreich bei der Unterstützung der MS-Diagnose. Oligoklonale Banden in der Rückenmarksflüssigkeit sind bei der überwiegenden Mehrheit der MS-Patienten vorhanden, und es handelt sich um einen von der MRT unabhängigen Befund, der eine MS-Diagnose unterstützt. In Kombination mit der MRT fühlt man sich damit bei der Diagnose viel wohler", sagte sie.
Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt worden.
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