Mortalität durch Gewaltverbrechen und Suizid bei ADHS-Patienten annähernd verdoppelt

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten. Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten.

Kernbotschaften

Eine landesweite Fall-Kontroll-Studie findet unter taiwanesischen ADHS-Patienten eine um sieben Prozent erhöhte Gesamtmortalität. Der Unterschied beruht auf gewaltsamen Todesarten wie Suizid, Mord und Totschlag, nicht aber auf natürlichen Todesursachen.

Hintergrund

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) trifft etwa 2 bis 6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen und hat als Hauptsymptome neben dem übersteigerten Bewegungsdrang auch Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Es ist daher plausibel, dass Betroffene häufiger Unfälle haben und in Konflikte geraten. Untersuchungen zur Mortalität unter einer ADHS haben jedoch uneinheitliche Ergebnisse erbracht und enthielten nach Angaben der Autoren keine Informationen zu den spezifischen Todesursachen.

Design

Landesweite, populationsbasierte Fall-Kontroll-Studie anhand eines taiwanesischen Registers. Den 275.980 Individuen zwischen 4 und 44 Jahren, die vom Jahr 2000 bis einschließlich 2012 mit ADHS diagnostiziert wurden, stellten die Forscher 1.931.860 nicht Betroffene gleichen Geschlechts und Alters gegenüber. Das Überleben wurde mit der Methode der Cox-Regression modelliert, wobei man Verzerrungen durch eine Vielzahl von Faktoren (z.B. Wohnort, Versicherungsstatus, Depressionen, Autismus, geistige Behinderungen) zu kontrollieren suchte.

Ergebnisse

  • Das Durchschnittsalter in beiden Gruppen betrug 9,61 Jahre, 75,88 % der Teilnehmer waren männlich.
  • Während einer Nachverfolgungszeit von 15,1 Millionen Personen-Jahren kam es zu 4321 Todesfällen. Darunter ereigneten sich 727 (0,26 %) in der ADHS-Gruppe und 3594 (0,19 %) in der Kontrollgruppe. Unter den Verstorbenen waren 75,1 bzw. 79,4 % männlich.
  • Nach Adjustierung hatte die ADHS-Gruppe im Vergleich zur Kontrolle ein höheres Gesamtmortalitätsrisiko (Chancenverhältnis HR 1,07; 95%-Konfidenzintervall 1,00 – 1,17).
  • Die Suizid-verursachte Mortalität war ebenfalls höher (HR 2,09; 95%-KI 1,62 – 2,71), und auch die Rate an unabsichtlich erlittenen Verletzungen (HR 1,30; 95%-KI 1,10 – 1,52) sowie die Sterblichkeit durch Mord und Totschlag (HR 2,00; 95%-KI 1,09 – 3,68).
  • Bei den natürlichen Todesursachen fand sich nach Adjustierung kein Unterschied zwischen den Gruppen.

Klinische Bedeutung

Die Wahrscheinlichkeit, eines gewaltsamen Todes zu sterben, ist für ADHS-Patienten größer als in der Allgemeinbevölkerung. Der Unterschied war signifikant, das absolute Sterberisiko wird von den Autoren aber als „gering“ eingeordnet. Dabei trifft das, was hier für Taiwan bestätigt wurde, vermutlich für alle Betroffenen zu - auch wenn die Größe des Effekts womöglich durch den Kulturkreis mit beeinflusst wird.

Finanzierung: Health Information and Epidemiology Laboratory, Chiayi Chang Gung Memorial Hospital, Taiwan.