Mortalität in der Allgemeinbevölkerung bei sozialer Isolation um 30 % erhöht

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Soziale Isolation und Einsamkeit sind gemäß einer Meta-Analyse von 90 prospektiven Kohorten-Studien mit mehr als 2 Millionen Individuen mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit assoziiert. Der Effekt ist bei sozialer Isolation mit ca. 30 % besonders stark ausgeprägt und betrifft Männer und Frauen, Allgemeinbevölkerung sowie Herz/Krebskranke gleichermaßen. Die subjektiv definierte Einsamkeit war demgegenüber ein weniger starker Faktor und bei mehreren Vergleichen nicht mehr signifikant.

Hintergrund

Die Assoziationen zwischen sozialer Isolation, Einsamkeit und der Mortalität insgesamt, sowie durch Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen seien „kontrovers“, schreiben die Autoren der aktuellen Studie um Fan Wang von der Medizinischen Universität Harbin. Dabei definieren sie soziale Isolation anhand der Zahl der Kontakte mit anderen Menschen, wogegen Einsamkeit als Gefühl charakterisiert wird, das entsteht, wenn weniger soziale Kontakte stattfinden als gewünscht. Bis ins Jahr 2015 gab es dazu lediglich eine Meta-Analyse, die einen erhöhte Gesamtmortalität von 29 bzw 26 % fand. Seitdem wurden zahlreiche weitere individuelle Studien mit oft gegensätzlichen Ergebnissen publiziert.

Design

Systematische Übersicht und Meta-Analyse zur Zusammenfassung der Assoziationen zwischen sozialer Isolation (SI), Einsamkeit und der Mortalität insgesamt, durch Krebs, und Herzkreislauferkrankungen (CVD) in der Allgemeinbevölkerung, sowie in einer Untergruppe von Individuen mit präexistierender CVD oder Brust/Darmkrebs. Durchsucht wurden die Datenbanken PubMed, Web of Science und Embase.

Ergebnisse

  • Unter anfänglich 14358 Literaturverweisen wurden in mehreren Schritten 90 prospektive Studien mit 2.205.199 Individuen selektiert. Mit 90 % aller Studien wurden die weitaus meisten in entwickelten Ländern durchgeführt. Allein 29 stammten aus den USA, der Rest aus Ländern wie Großbritannien, Japan, Korea und Finnland.
  • Veröffentlicht wurden die Studien zwischen 1986 und 2022. Die Nachverfolgungszeit betrug bei der Allgemeinbevölkerung zwischen 2 und 24,4 Jahren, und bei den Patientenpopulationen zwischen 6 Monaten und 20,44 Jahren. Die Teilnehmerzahlen schwankten zwischen 119 und 580.182. Das Risiko für Verzerrungen wurde bei allen Studien als gering eingestuft.
  • Die gepoolte Effektgröße betrug (95%-Konfidenzintervall, P-Wert):
    • Gesamtmortalität Allgemeinbevölkerung bei SI: 1,32 (1,26 – 1,39; P < 0,001)
    • Gesamtmortalität Allgemeinbevölkerung bei Einsamkeit: 1,14 (1,08 – 1,20; P < 0,001)
    • Gesamtmortalität Allgemeinbevölkerung beide Faktoren: 1,18 (1,05 – 1,32; P < 0,001)
    • Gesamtmortalität Männer bei SI: 1,39 (1,27 – 1,51; P < 0,001)
    • Gesamtmortalität Frauen bei SI: 1,44 (1,28 – 1,61; P < 0,001).
    • Die Signifikanz der Assoziation zwischen Gesamtmortalität und Einsamkeit ging bei getrennter Betrachtung von Männern und Frauen verloren (1,09; 0,99 – 1,20; 0,08) bzw. 1,01; 0,98 – 1,059; 0,488).
  • Analysen nach Untergruppen wie Nachverfolgungszeit, Ausbildungsdauer, Depression, Rauchen, Trinken, BMI, ethnische Zugehörigkeit etc. ergaben lediglich einen signifikanten Unterschied: Beim Vergleich der Gesamtmortalität in der Allgemeinbevölkerung war die Effektstärke in den USA mit 1,45 größer als in den anderen Ländern, wo sie 1,24 betrug (P = 0,039).
  • Das Risiko in der Allgemeinbevölkerung, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu versterben, war bei SI signifikant erhöht (1,34; 1,25 – 1,44; P< 0,001), bei Einsamkeit aber nicht (1,14; 0,97 – 1,35; P = 0,118). Ebenso war das Risiko bei an CVD erkrankten Personen unter SI signifikant erhöht (1,28; 1,10 – 1,48), bei Einsamkeit aber nicht (1,26; 0,94 – 1,68).
  • Das Risiko in der Allgemeinbevölkerung, an Krebs zu versterben, war sowohl bei sozialer Isolation als auch bei Einsamkeit signifikant erhöht (1,22; 1,18 – 1,27; P <0,001 bzw. 1,09; 1,01 – 1,17; P = 0,030). Auf der Basis von 7 Studien mit 21.913 Krebspatienten (überwiegend Brustkrebs) fand sich eine signifikante erhöhte Gesamtmortalität bei SI (1,47; 1,33 – 1,63; P < 0,001) und eine ebenfalls signifikant erhöhte Krebs-spezifische Mortalität (1,26; 1,04 – 1,52; P = 0,016).

Klinische Bedeutung

Mit einer Gesamtpopulation von mehr als 2 Millionen Individuen quantifiziert diese Meta-Analyse die Assoziation zwischen sozialer Isolation und dem Mortalitätsrisiko in der Allgemeinbevölkerung. Das erhöhte Risiko beträgt etwa 30 %, was nahe bei der jüngsten Schätzung aus dem Jahr 2015 liegt. Zwischen den Geschlechtern wie auch zwischen verschiedenen entwickelten Ländern gab es nur geringe Unterschiede. Strategien, um das Problem der sozialen Isolation zu adressieren, würden dringend benötigt, und man müsse die Aufmerksamkeit dafür erhöhen, fordern die Autoren.