Mikroplastik reichert sich in der Leber von Zirrhosepatienten an

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Erstmals ist Mikroplastik in menschlichen Lebern nachgewiesen worden, und zwar in den Organexplantaten von Patienten, die wegen Zirrhose eine neue Leber erhielten. Dagegen fanden sich in Autopsie-befundeten, gesunden Lebern keine Mikroplastikpartikel (1). Eine mögliche Erklärung für die Anreicherung ist, dass der Pfortaderhochdruck bei Zirrhose und die damit verbundene veränderte Darmpermeabilität zu einer vermehrten Aufnahme von Mikroplastikpartikeln aus dem Darm führt. Die Partikel wiederum könnten Entzündungsprozesse und damit eine weitere Fibrosierung der Leber fördern.

Hintergrund
Die Verunreinigung der Umwelt mit Mikroplastik (MPs) ist ein weltweites Problem, ein Kontakt mit MPs - auch unfreiwillig – ist nicht vermeidbar. In Blut und Stuhl des Menschen sind bereits MPs nachgewiesen worden, erst vor kurzem auch in Plazenta und im Mekonium von Neugeborenen (2, 3). So fanden sich bei Patientinnen der Charité Berlin nach Kaiserschnitt Mikropartikel in der Plazenta und im Mekonium. Sie enthielten Polyethylen, Polypropylen, Polystyren und Polyurethan. Zum Teil allerdings könnten Mikropartikel auch über Operationen in Patienten gelangen, so die Forscher (2).

Unklar war bislang, ob Mikroplastik sich in der Leber anreichert, und ob eine Leberzirrhose diesen Prozess begünstigt. Die Frage hat ein Team aus Gastroenterologen und Forensikern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf untersucht (1).

Design
Studienmaterial: Gewebeproben aus

  • explantierten Lebern von 6 Organempfängern mit Leberzirrhose und von
  • Lebern 5 autopsierter Personen ohne eine Lebererkrankung, von diesen außerdem Gewebeproben von Nieren und Milz

Studienmethode: Identifikation und Analyse von MPs (4-30 μm) nach chemischem Aufschluss durch eine Kombination aus Nilrot-Anfärbung und Fluoreszenzmikroskopie, Materialanalyse mit Raman-Spektroskopie.

Hauptergebnisse

  • In den Gewebeproben der lebergesunden Verstorbenen ließen sich keine Mikroplastikpartikel nachweisen oder nur in sehr geringen Mengen (maximal 1-2 Partikel/g Gewebe).
  • Bei den Lebern von Patienten mit Zirrhose wurden durchschnittlich 8,3 Partikel/g Gewebe gefunden, das Minimum lag bei 4,6 Partikeln/g Gewebe und das Maximum bei 11,9 Partikeln/g Gewebe.
  • Die MPs aus dem menschlichen Gewebe bestanden aus 6 verschiedenen Kunststoffen:
    • Polystyren,
    • Polyvinylchlorid (PVC),
    • Polyethylenterephthalat (PET),
    • Polymethylmethacrylat (PMMA),
    • Polyoxymethylen (POM) und
    • Polypropylen (PP).

Klinische Bedeutung
In den Studienergebnissen sehen die Forscher einen Beleg für die Annahme, dass eine Zirrhose die Anreicherung von Mikroplastikpartikeln in der Leber begünstigt (Proof of Concept). Ursächlich könne eine gestörte Darmbarrierefunktion sein. Pathophysiologisch führt die progrediente Fibrosierung des Lebergewebes zur Entstehung einer portalen Hypertonie und in der Folge zu einer erhöhten Permeabilität der Darmwand.

In der Leber könnten MPs wiederum Entzündungsreaktionen fördern, die die Fibrosierung weiter fördern. Die Studienergebnisse, so die Autorinnen und Autoren, sollten weitere Forschungen zu Ursache-Wirkungs-Mechanismen von Plastikanreicherungen in der Leber zur Folge haben, vor allem bei Patienten mit chronischen gastrointestinalen Erkrankungen.

Finanzierung: öffentliche Mittel.