Melanom oder Muttermal? Software nach dem Vorbild des Gehirns erkennt dies besser als Dermatologen
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Forscher haben ein künstliches neuronales Netz (Convolutional Neural Network, CNN) entwickelt, das die Entdeckung von Melanomen verbessern soll. Im Vergleich zu einer größeren Gruppe von Dermatologen erwies sich das System den meisten Experten in puncto Spezifität und Sensitivität als überlegen.
Hintergrund
Die Inzidenz und Mortalität von Melanomen nehmen seit Jahrzehnten zu, was Anlass zu zahlreichen Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen war. Deren Erfolg hängt außer von der Akzeptanz dieser Untersuchungen maßgeblich von der diagnostischen Genauigkeit ab. Dabei können automatisierte computergestützte Bildanalysen hilfreich sein. Eine erfolgversprechende Technik zur Erkennung und Auswertung der Bilder nutzt lernfähige Programme (deep learning convolutional neural network, CNN), die der Funktionsweise von neuronalen Netzwerken des Gehirns nachempfunden sind.
Design
Ziel der Studie war es, ein bereits existentes CNN zu trainieren, zu validieren, und zu testen hinsichtlich seiner Fähigkeit, Bilder dermatologischer Läsionen (Melanome und gutartige Naevi) zu klassifizieren. Außerdem sollten die Ergebnisse des CNN mit denen von 58 Dermatologen verglichen werden. Nachdem das präexistente CNN bereits mit mehr als 100.000 Bildern trainiert worden war, wurde ein Test-Set mit 100 neuen, validierten Bildern ausgewählt, die erfahrene Dermatologen als besonders schwierig zu klassifizieren eingestuft hatten. Dabei wurden den Dermatologen zunächst nur die Bilder gezeigt (Level I), nach 4 Wochen zusätzlich auch klinische Informationen und Nahaufnahmen (Level II).
Hauptergebnisse
- Von den via Mailingliste der International Dermoscopy Society eingeladenen Dermatologen retournierten 58 (33,7 %) die Testbögen. 52 % hatten sich als Experten eingestuft, 19 % als erfahren und 29 % als Anfänger.
- Auf Stufe I des Tests (nur Bilder) klassifizierten die Dermatologen 86,6 % aller Melanome und 71,3 % aller nicht-malignen Veränderungen korrekt.
- Mit den zusätzlichen klinischen Informationen auf Teststufe II verbesserten sich die Dermatologen auf 88,9 % Sensitivität und 75,7 % Spezifität.
- Aus der Grenzwertoptimierungskurve (ROC) wurde nun die Spezifität des CNN bei den von den Dermatologen erreichten Sensitivitäten abgeleitet. Das Netzwerk erwies sich dabei mit einer Spezifität von 82,5 % in beiden Teststufen gegenüber den Dermatologen als überlegen.
- Die Fläche unter der Grenzwertoptimierungskurve (ROC AUC), die als Qualitätsmaß für den Test errechnet wurde, war mit 0,86 für das CNN deutlich besser als der Durchschnittswert der Dermatologen von 0,79 (P<0,01).
Klinische Bedeutung
„Das CNN übersieht weniger Melanome, es hat also eine höhere Sensitivität als die Dermatologen. Auch liefert es weniger Fehldiagnosen bei gutartigen Muttermalen. Es hat also eine höhere Spezifität, und führt daher seltener zu unnötigen Operationen“, sagte Professor Holger A. Haenssle (Heidelberg) in einer begleitenden Pressemitteilung. Die meisten Experten wurden durch das CNN übertroffen und alle dürften von dessen Assistenz profitieren. Auch wenn derartige Systeme derzeit noch kein Ersatz für eine gründliche klinische Untersuchung sind, so dürfte die Weiterentwicklung dieser Techniken „eher früher als später“ zu einem Paradigmenwechsel in der Dermatologie führen, schreiben Dr. Victoria Mar und Professor H. Peter Soyer in einem begleitenden Kommentar.
Finanzierung: Keine.
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