Mars-Reisen: ein teures und riskantes „Abenteuer"
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Kernbotschaften
In einigen Jahren werden betuchte Zeitgenossen auf der Suche nach dem ultimativen touristischen Kick vielleicht nicht mehr zum Mount Everest pilgern, sondern zum Mars. Für Skelett, Hirn und Herz ist eine solche Reise allerdings keine Wohltat, sondern ein riskantes Abenteuer.
Neuen Studien-Daten zufolge könne ein längerer Weltraumflug die Knochenstruktur dauerhaft schädigen und Teile des Skeletts vorzeitig um bis zu zehn Jahre altern lassen, heißt es in einem aktuellen Beitrag von medscape.com. „Da zukünftige Missionen zum Mond und zum Mars geplant sind, könnten wir bald über die typischen 6-monatigen Missionen auf der ISS hinausgehen. Wir müssen wissen, ob eine Reise zum Mars, die mehr als 2 Jahre dauern könnte, zu Problemen für die Astronauten führen würde, wenn sie zur Erde zurückkehren“, wird der Hauptautor der Studie, Dr. Steven Boyd, Direktor des McCaig Institute for Bone and Joint Health an der Universität von Calgary (Alberta) in dem Beitrag zitiert, den Ute Eppinger für medscape.de übersetzt und adaptiert hat.
Boyd weiter: „Aber das Interesse an der Knochenerholung gilt nicht nur den Astronauten. Diese Daten zeigen auch Potenzial für das Knochenwachstum, was wiederum Auswirkungen auf Menschen mit Osteoporose hat“, fügte er hinzu. „Das Ausmaß der – wenn auch nicht vollständigen – Erholung bei diesen Astronauten ist beeindruckend und zeigt, was möglich wäre, wenn wir die 'perfekte' Therapie entwickeln könnten.“
Boyd und seine Kollegen untersuchten die Knochenstärke, Knochendichte und Knochenmikroarchitektur von 17 Astronauten, darunter 14 Männer und 3 Frauen. Die Astronauten, deren Durchschnittsalter beim Start 47 Jahre betrug, hielten sich zwischen 4 und 7 Monaten auf der ISS auf. Für 14 Astronauten war es der erste Langzeitflug von mehr als 3 Monaten Dauer.
Mit hochauflösender Computertomographie nahmen die Forscher Bilder des Schienbeins und der Speiche vor dem Weltraumflug auf, dann bei der Rückkehr zur Erde und nach einer Erholungsphase von 6 Monaten und 1 Jahr. Das Forschungsteam untersuchte auch Biomarker für den Knochenumsatz.
Ein Jahr nach dem Weltraumflug waren die mediane Knochenstärke der Astronauten-Schienbeine, die Knochendichte der kortikalen und trabekulären Knochen sowie der trabekuläre Knochenvolumenanteil und die Dicke im Vergleich zu den Messungen vor dem Flug um 0,9% bis 2,1% vermindert.
Astronauten auf Weltraummissionen von mehr als 6 Monaten Dauer wiesen eine schlechtere Knochenregeneration auf. So erholte sich die Bruchlast des Schienbeins bei Astronauten auf Missionen, die 6 oder weniger Monate dauerten, bis zur 12-Monats-Marke nach dem Flug. Bei denjenigen, die länger im Einsatz waren, war die Belastung des Schienbeins jedoch immer noch um 3,9% geringer.
Ähnliche Unterschiede wurden bei der gesamten, trabekulären und kortikalen Knochenmineraldichte festgestellt. Die Astronauten mit unvollständiger Erholung wiesen auch höhere Biomarker für den Knochenumsatz auf.
Bei 9 von 17 Astronauten erholte sich die Knochenmineraldichte des Schienbeins nach 12 Monaten nicht vollständig. Die unvollständige Erholung des gewichtstragenden Schienbeins war vergleichbar mit einem altersbedingten Knochenverlust von zehn Jahren oder mehr auf der Erde.
Hinweise auf Hirnschäden bei Kosmonauten
Lange Aufenthalte im Weltraum sind nicht allein für das Skelett schädlich, sondern möglicherweise auch für das Hirn. Das lässt eine Studie mit fünf russischen Kosmonauten vermuten, die mehrere Monate auf der Internationalen Raumstation (ISS) verbracht haben („JAMA Neurology“). Den Kosmonauten wurden 20 Tage vor ihrem Abflug Blutproben entnommen. Im Durchschnitt blieben sie 169 Tage m Weltraum. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 49 Jahre. Nach ihrer Rückkehr zur Erde wurde dreimal Blut entnommen: einen Tag nach der Landung, eine Woche und etwa drei Wochen nach der Landung. Es wurden fünf Biomarker für Hirnschäden analysiert. Dabei handelte es sich um Neurofilament Light (NFL), Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP), Total Tau (T-tau) und zwei Amyloid-Beta-Proteine.
Die Blutproben zeigen im Vergleich zur Untersuchung vor dem Start einen erheblichen Anstieg mehrerer hirneigener Proteine vor allem in der ersten Woche nach der Rückkehr. Die beobachteten Proteine sprechen hier für eine Verletzung der langen Nervenfasern in der weißen Substanz und dem Stützgewebe des Gehirns, der Glia. Der Anstieg der Blutwerte war für zwei Varianten des Amyloid-Proteins, einem Alterungsmarker, sogar noch nach drei Wochen substantiell nachweisbar und korrelierte in seiner Höhe mit der Dauer seit dem Start ins All. Für das Tau-Protein als Repräsentant der grauen Substanz fand sich erst drei Wochen nach Rückkehr zur Erde ein deutlicher Abfall der Werte im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung.
„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine leichtgradige, aber anhaltende Hirnverletzung und einen beschleunigten Alterungsprozess des Gehirns bei Rückkehr zur Erde hin“, so Erstautor Professor Peter zu Eulenburg von der LMU München. „Es scheinen dabei alle relevanten Gewebsarten des Gehirns betroffen zu sein.“ Ein klinischer Hinweis für neurologisch relevante Folgen eines Langzeitaufenthalts im All sind bisher lediglich Veränderungen des Sehvermögens bei einigen Raumfahrern.
Mit der Zeit schrumpft auch das Herz
Mars-Touristen sollten sich zudem darauf einstellen, dass ein langer Aufenthalt im Weltraum das Herz schrumpfen lässt. Ein Training mit niedriger Intensität, wie es Astronauten während ihrer Weltraum-Aufenthalte betreiben, kann davor vermutlich nicht schützen, so eine Studie von Wissenschaftlern um James MacNamara (UT Southwestern Medical Center, Dallas), an der allerdings nur zwei Probanden teilgenommen haben („Circulation“) - und zwar der US-Amerikaner Scott Kelly und der Franzose Benoоt Lecomte. Der französische Extremsportler schwamm 2018 in 159 Tagen 2821 Kilometer durch die Gewässer des Atlantiks. Pro Tag schwamm er durchschnittlich 5,8 Stunden. Insgesamt verbrachte er zwischen 9 und 17 Stunden in der Bauch- oder Rückenlage. Scott Kelly lebte 2015-16 über 300 Tage an Bord der ISS. Dort trainierte er sechs Tage pro Woche (täglich 1 bis 2 Stunden). Er konnte wählen zwischen Fahrradergometer, Laufband und Widerstandstraining.
Sowohl Lecomte als auch Kelly verloren, wie berichtet, etwa 20 bis 25 Prozent ihrer Herzmasse (rund 0,7 Gramm pro Woche). Beide Männer erlitten eine anfängliche Abnahme des diastolischen Durchmessers ihres linken Ventrikels (bei Kelly von 5,3 auf 4,6 cm, bei Lecomte von 5 auf 4,7 cm).
Der Schwerkraftverlust ist möglicherweise nur einer der Faktoren mit schädlichen Wirkungen auf das Herz. Auch die kosmische Strahlung während eines längeren Aufenthaltes im All könnte später kardiovaskuläre Erkrankungen induzieren, so Dr. Richard L. Hughson (Schlegel-University of Waterloo Research Institute for Aging, Ontario) und seine Kollegen im Fachmagazin „Nature Reviews Cardiology". Weitere kardiovaskulär relevante Faktoren sind auch im All der soziale Stress, die Ernährung und die Tatsache, dass die Astronauten meist sitzen. Besonders geachtet wird daher außer auf körperliches Training auf eine gesunde Ernährung der Astronauten. Aus kardiovaskulärer Sicht gut wäre außer einer kalorienreduzierten Ernährung eine Mittelmeer-Diät oder eine salzarme Kost mit viel Obst, Gemüse und magerem Fleisch, etwa die DASH-Diät. Doch das ist auch für Astronauten gar nicht so einfach: Denn da sich der Geschmackssinn während des All-Aufenthaltes aufgrund des veränderten Luftdrucks und der Luftfeuchtigkeit ändert, wäre eine salzreiche Kost für die Astronauten zwar ein Plus an Lebensqualität, für ihren Blutdruck hingegen eher schädlich. Eine kalorienreduzierte Kost wiederum ist nicht empfehlenswert, da im All Muskulatur und Knochen ohnehin „leiden“.
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