Marihuana in der Schwangerschaft verdoppelt das Risiko für niedriges Geburtsgewicht des Kindes

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Frauen, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumieren, haben ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko. Die Neugeborenen haben im Vergleich zu Kindern von Frauen ohne Marihuanakonsum in der Schwangerschaft häufiger ein niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g), ein geringeres Gewicht bezogen auf die Schwangerschaftsdauer und durchschnittlich einen kleineren Kopfumfang. Bei Plänen zur Legalisierung des Konsums von Cannabis und Kommerzialisierung wird dringend geraten, die Risiken für Schwangere und für ihre Kinder zu kommunizieren (1).

Hintergrund
Die Prävalenz des Cannabiskonsums ist in westlichen Ländern hoch, Tendenz steigend. Dem Europäischen Drogenbericht 2019 zufolge konsumierten in Deutschland circa 11 % aller Frauen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren Cannabis innerhalb der letzten 12 Monate vor Befragung (2). Wieviele aufhören, wenn sie schwanger werden, ist unbekannt. In den USA geben 5 % der in größeren Studien befragten Frauen an, während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert zu haben (zit. n. [3]). Zugleich hat sich der Gehalt an Tetrahydrocannabinol in den vergangenen 3 Jahrzehnten vervielfacht (4). Vor dem Hintergrund zunehmenden Cannabiskonsums in vielen Gesellschaften ist international das Interesse groß, die potenziellen Risiken für Mutter und Kind intensiver zu untersuchen.

Design

  • Studienform: Metaanalyse von 16 internationalen Studien mit insgesamt 59.138 Teilnehmerinnen
  • Auswahl der Studien: Fallkontroll- und Kohortenstudien mit einer Gruppe von Frauen, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumierte, und einer Vergleichsgruppe von Frauen ohne Cannabiskonsum in der Schwangerschaft (eigene Angaben)
  • Analyseparameter:
    • Geburtsgewicht,
    • Anteil der Kinder, die klein in Relation zur Dauer der Schwangerschaft waren („small for gestational age“),
    • Anteil der Frühgeburten,
    • Anteil der auf einer neonatalen Intensivstation (NICU) behandelten Kinder,
    • Kopfumfang,
    • APGAR-Score nach 1 Minute und nach 5 Minuten

Hauptergebnisse

  • Bei Frauen mit Cannabiskonsum in der Schwangerschaft war die Risikorate (RR) für die Geburt eines Kindes mit einem Gewicht < 2500 g verdoppelt im Vergleich zu Frauen ohne Marihuanakonsum in der Schwangerschaft (RR: 2,06; statistisch signifikant mit p = 0,005).
  • Die RR für den Parameter „small for gestational age“ betrug 1,61 und war mit einem p-Wert von < 0,001 ebenfalls statistisch signifikant.
  • Der Kopfumfang bei pränatal Cannabis-exponierten Kindern war um durchschnittlich 0,34 cm geringer als bei Kindern von Müttern ohne Cannabiskonsum (p = 0,02).
  • Für eine Frühgeburt (< 37 Schwangerschaftswochen) lag die RR bei 1,28 mit einem p < 0,001.
  • Für eine NICU-Therapie betrug der Risikofaktor 1,38 (p < 0,001).
  • Das Geburtsgewicht war bei pränataler Cannabisexposition des Kindes um durchschnittlich 112,3 g geringer als bei Kindern ohne Cannabisexposition und der APGAR-Score 1 Minute nach der Geburt war um durchschnittlich 0,26 geringer als in den Vergleichsgruppen (p = 0,002).
  • Der APGAR-Score nach 5 Minuten unterschied sich nicht mehr signifikant zwischen den Gruppen.

Klinische Bedeutung

Kinder, die pränatal Cannabis ausgesetzt sind, wachsen im Durchschnitt während der Schwangerschaft weniger als Kinder ohne Cannabisexposition in der Schwangerschaft. In größeren Längsschnittanalysen sollten die Langzeitentwicklungen der Kinder verfolgt werden.

Die Autoren der Metaanalyse weisen darauf hin, dass das Risiko durch Cannabis in der Schwangerschaft vermutlich unterschätzt werde. International und auch in Deutschland warnen Frauenärzte seit längerem vor den potenziellen negativen Effekten von Cannabis auf die Entwicklung des Kindes, auch auf potenzielle neurologische Langzeitschäden, die in der Metaanalyse nicht untersucht wurden (3; 5).

Zur Frage, ob die Prävalenzen des Cannabiskonsums in der Schwangerschaft nach einer Legalisierung von Marihuana zunehmen, gibt es widersprüchliche Daten. Die breite Information durch Gesundheitsbehörden und durch Ärztinnen und Ärzte wird dringend empfohlen.

Finanzierung: öffentliche Mittel