Lithium im Trinkwasser mit Autismus-Spektrum-Störungen assoziiert

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

In einer bevölkerungsweiten Studie hat man in Dänemark die Aufnahme von Lithium im Trinkwasser während der Schwangerschaft mit der Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen bei den Nachkommen verglichen. Der Bereich der Lithiumkonzentrationen lag zwischen 0, 5 und 30 µg/L und dürfte somit mit deutschen Verhältnissen vergleichbar sein. Das Chancenverhältnis für die Diagnose einer ASD lag für das Quartil mit den höchsten Lithium-Konzentration gegenüber dem untersten Quartil bei 1,46 – was einem annähernd 50 % höheren Risiko entspricht.

Hintergrund

Das Spurenelement Lithium kommt in der Umwelt als Bestandteil bestimmter Mineralien vor, es ist aber auch in unterschiedlichen Konzentrationen im Trinkwasser und in manchen Mineralwassern enthalten. Die stimmungsstabilisierenden Eigenschaften von Lithium nutzt man zur Prophylaxe depressiver Phasen sowie zur Behandlung manischer Phasen, allerdings ist dieser therapeutische Gebrauch im Gramm-Bereich bei Schwangeren mit Fehlgeburten und Herzfehlbildungen der Neugeborenen assoziiert. Die Autoren der aktuellen Studie verweisen zudem auf Laborversuche, die es plausibel erscheinen lassen, dass Lithium die fötale Hirnentwicklung beeinflussen könnte.

Design

Landesweite, bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie in Dänemark mit der Fragestellung, ob eine pränatale Exposition gegenüber Lithium im Trinkwasser mit Autismus-Spektrums-Störungen (ASD) beim Nachwuchs assoziiert sein könnte. Anhand des Dänischen Medizinischen Geburtsregisters wurden dafür 8842 Kinder identifiziert, die in den Jahren 2000 bis 2013 mit ASD diagnostiziert worden waren, sowie als Kontrolle 43864 nicht betroffene Kinder gleichen Alters und Geschlechts. Die Daten zum Lithiumgehalt stammen von 151, über ganz Dänemark verteilten, Wasserwerken und reichten von 0,6 – 30,7 µg/L.

Ergebnisse

  • Bei der Aufteilung der Lithiumkonzentration in Quartile ergab sich nach Adjustierung für soziodemographische Faktoren und die Luftverschmutzung ein Chancenverhältnis OR für eine ASD-Diagnose von 1,23 (95%-Konfidenzintervall 1,17 – 1,29) mit jeder Zunahme um ein Quartil.
  • Gegenüber der Referenzgruppe mit weniger als 7,39 µg/L sah man bereits im 2. Quartil ein erhöhtes Risiko, und für das höchste Quartil mit > 16,78 µg/L betrug das Chancenverhältnis gegenüber der Referenzgruppe 1,46 (95%-KI 1,35 – 1,59).
  • Die Assoziationen waren bei Mädchen etwas stärker ausgeprägt als bei Jungen (OR/Quartil-Zunahme 1,34 versus 1,21) und in den Geburtsjahrgängen 2000 – 2003 größer als für die Jahre 2004 -2007 bzw. 2008 - 2013 (OR 1,30 versus 1,19 bzw. 1,15). Einen Zusammenhang mit der Luftverschmutzung fanden die Forscher nicht.

Klinische Bedeutung

Die Anhand der dänischen verlinkten Datenbanken gewonnen Erkenntnisse sind wenig anfällig für Verzerrungen. Sie legen nahe, dass natürlich vorkommendes Lithium im Trinkwasser ein neuer Umweltrisikofaktor für die Entwicklung von ASD sein könnte, der näher untersucht werden sollte, schreiben die Autoren. Die mit einem höheren ASD-Risiko assoziierte Lithiumspiegel in der Studie waren allerdings ähnlich jenen Werten, die in anderen Untersuchungen mit einem reduzierten Suizid- und Demenzrisiko einhergingen, bemerkt in einem Kommentar David C. Bellinger (Boston). „Wenn all diese Assoziationen sich als solide herausstellen sollten, wird es die Weisheit eines Salomons brauchen, Richtlinien für Lithium im Trinkwasser zu entwickeln, die den maximalen Schutz für die Gesamtbevölkerung gewährleisten.“

Finanzierung: National Institute of Environmental Health Sciences (USA).